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Ein Astronomenteam mit deutscher und österreichischer Beteiligung hat mit dem APEX-Teleskop einen riesigen Galaxienhaufen untersucht, der im frühen Universum entstanden ist, und dabei herausgefunden, dass Sternentstehung nicht nur größtenteils durch Staub verborgen wird, sondern auch an unerwarteten Orten stattfindet. Es ist das erste Mal, dass eine vollständige Erhebung der Sternentstehung in solch einem Objekt möglich war.
Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen Objekte im Universum, ihre Entstehung jedoch ist noch nicht verstanden. Die Spinnennetz-Galaxie (mit der offiziellen bezeichnung MRC 1138-282 [1]) und ihre Umgebung wurden zwanzig Jahre lang mit unzähligen Teleskopen untersucht, darunter auch denen der ESO [2]. Man hält sie für eines der besten Beispiele eines Protohaufens im Entstehungsprozess vor mehr als zehn Milliarden Jahren.
Doch Helmut Dannerbauer von der Universität Wien und sein Team hatten den Verdacht, dass die Geschichte damit noch nicht abgeschlossen ist: Sie wollten die dunkle Seite der Sternentstehung untersuchen und herausfinden welcher Anteil der Sternentstehung in der Spinnennetz-Galaxie unserem Blick durch Staub verborgen bleibt.
Das Team hat die LABOCA-Kamera am APEX Teleskop in Chile genutzt, um die Spinnennetz-Galaxie 40 Stunden lang bei Millimeterwellenlängen zu beobachten – Licht, dessen Wellenlänge lang genug ist, um die dichtesten Staubwolken zu durchdringen. LABOCA besitzt ein großes Gesichtsfeld und ist das perfekte Instrument für diese Art von Beobachtung.
Carlos De Breuck, APEX-Projektwissenschaftler bei der ESO und Koutor der neuen Studie, hebt hervor:„Das ist eine der tiefsten Beobachtungen, die jemals mit APEX gemacht wurden, und sie brachte sowohl die Technologie als auch die Ausdauer der Mitarbeiter an ihre Grenzen, die am hochgelegenen Standort von APEX auf 5050 Metern über dem Meeresspiegel arbeiten.”
Die APEX-Beobachtungen konnten zeigen, dass es im Vergleich zum umgebenden Himmel viemal so viele Millimeterstrahlungsquellen im Bereich der Spinnennetz-Galaxie gab. Durch den sorgfältigen Vergleich der neuen Daten mit ergänzenden Beobachtungen bei anderen Wellenlängen waren sie in der Lage zu bestätigen, dass viele dieser Quellen sich in derselben Entfernung wie der Galaxienhaufen befinden und Teile des entstehenden Haufens sein müssen.
Helmut Dannerbauer erklärt:„Die neuen APEX-Beobachtungen liefern das letzte Puzzleteil für eine vollständige Zählung aller Bewohner dieser Mega-Sternstadt. Diese Galaxien befinden sich im Entstehungsprozess und sind daher ähnlich wie eine Baustelle auf der Erde sehr staubig.”
Allerdings erwartete das Team eine Überraschung, als sie sich anschauten, wo sich die neu entdeckten Sternentstehungsregionen befnden. Sie hatten erwartet, diese Gebiete in den langen Filamenten zu finden, die die Galaxien verbinden. Stattdessen stellten sie fest, dass die Sternentstehungsgebiete fast ausschließlich in einer einzigen Region konzentriert sind, die nicht einmal auf die zentrale Spinnennetz-Galaxie des Protohaufens zentriert ist [3].
Helmut Dannerbauer erläöutert abschließend:„Unser Ziel war es die verborgene Sternentstehung im Spinnennetz-Haufen zu finden – und dabei waren wir erfolgreich. Allerdings haben wir auch ein neues Rätsel zu Tage gefördert, das ganze sieht völlig anders aus als gedacht! Die Mega-Stadt entwickelt sich asymmetrisch.”
Um die Geschichte fortzusetzen, sind weitere Beobachtungen notwendig – und ALMA wird das perfekte Instrument für die nächsten Schritte und die weitaus detailliertere Untersuchung der staubigen Regionen sein.
Endnoten
[1] Die Spinnenetz-Galaxie hat in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch und ist eine starke Radioquelle – was Astronomen zuerst auf diese Galaxie aufmerksam werden ließ.
[2] Diese Region wurde intensiv von einer Vielzahl von ESO-Teleskopen seit Mitte der 90er Jahre beobachtet. Die Rotverschiebung (und somit die Entfernung) der Radiogalaxie MCR1138-262 (der Spinnennetz-Galaxie) wurde zuerst auf La Silla gemessen. Der Protohaufen wurde bei den allerersten FORS-Beobachtungen im Besucher-Modus entdeckt und anschließend mit ISAAC, SINFONI, VIMOS und HAWK-I nachbeobachtet. Die APEX-LABOCA-Daten vervollständigen optische und Nahinfrarot-Datensätze der ESO-Teleskope. Das Team hat auch eine 12-stündige VLA-Aufnahme genutzt, um die LABOCA-Quellen in den optischen Bildern zu identifizieren.
[3] Man geht davon aus, dass diese staubigen Ausbrüche der Sternentstehung sich zu elliptischen Galaxien entwickeln ähnlich denen, die heute in nahen Galaxienhaufen um uns herum zu sehen sind.
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Dieses Bild zeigt Submillimeterdaten des APEX-Teleskops von der Himmelregion um die Spinnennetz-Galaxie, einem Protohaufen bestehend aus Galaxien im frühen Universum, die eine Radiogalaxie umgeben, die wiederum ein supermassereiches Schwarzes Loch enthält. Einige der Flecken in dieser Aufnahme entsprechen staubigen sternbildenden Galaxien im Protohaufen, die im sichtbaren Spektralbereich durch Absorption des Lichts in Staub nicht gesehen werden können. Die matteren Strukturen im Bild sind Artefakte der komplexen Bildverarbeitung des APEX-Teleskops.
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Dieses Bild vom NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop zeigt den kompletten ACS-Überblick über das Gebiet um die Spinnennetz-Galaxie (etwas rechts vom Zentrum der Aufnahme). Die Galaxie befindet sich umgeben von hunderten von Galaxien im Zentrum eines entstehenden Galaxienhaufens.
NASA, ESA, G. Miley and R. Overzier (Leiden Observatory), and the ACS Science Team Acknowledgement: Davide De Martin (ESA/Hubble).
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Dieses Bild ist ein Komposit aus Einzelaufnahmen in verschiedenen Farben, die aus dem Digitized Sky Survey 2 (DSS2) stammen. Das Gesichtsfeld beträgt 2.8° x 2.9°.
Digitized Sky Survey 2 and ESA/Hubble. ESA/Hubble and Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin (ESA/Hubble ).
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Quelle: ESO
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