Ein internationales Wissenschaftlerteam, zu dem auch Lisa Kaltenegger (Max-Planck-Institut für Astronomie) gehört, hat die Entdeckung zweier potenziell erdähnlicher Planeten, Kepler-62e und Kepler-62f mit dem NASA-Weltraumteleskop Kepler bekanntgegeben, die sich in der habitablen Zone des Sterns Kepler-62 befinden. Ihren Radien nach zu urteilen, sollte es sich um Felsplaneten handeln. Damit wären dies die bislang besten Kandidaten für lebensfreundliche Planeten. Die Untersuchungen von Dr. Kaltenegger zeigen, dass beide Planeten in der sogenannten habitablen Zone ihres Sterns liegen, in der flüssiges Wasser vorkommen kann – die Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen.
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Abbildung 1: Ein Vergleich des Planetensystems um den Stern Kepler-62 mit unserem eigenen Sonnensystem. Die Planetenumlaufbahnen (oben und unten) sind relativ zueinander im richtigen Maßstab. Die Planetengrößen selbst (Mitte) sind untereinander ebenfalls im richtigen Maßstab. Die habitable Zone – befindet sich dort ein Planet, kann auf dessen Oberfläche prinzipiell flüssiges Wasser existieren – ist grün eingezeichnet. Kepler-62e und Kepler-62f sind die bislang besten Kandidaten für lebensfreundliche Planeten: Planeten mit fester Oberfläche, die sich in der habitablen Zone ihres Sterns befinden.
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Die Entdeckung zweier Planetensysteme um die Sterne Kepler-62 und Kepler-69 wurde heute, Donnerstag, den 18. April um 11 Uhr lokaler Zeit (20 Uhr MESZ) auf einer Pressekonferenz im Ames Research Center der NASA in Moffett Field, California bekanntgegeben. Auf dem Podium saßen unter anderem NASAs Direktor für Astrophysik, Paul Hertz, der Chefwissenschaftler der Kepler-Mission William Borucki, und Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Kaltenegger, die außerdem noch mit dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Boston affiliiert ist, ist kein Mitglied des Kepler-Teams, war aber dafür verantwortlich, die potenzielle Lebensfreundlichkeit der Planeten des Kepler-62-Systems abzuschätzen.
Der Stern Kepler-62 im Sternbild Leier, rund 1200 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist ein wenig kleiner und kühler als unsere Sonne (Spektraltyp von Kepler-62: K2V; geschätzte Masse: 0,7 Sonnenmassen; geschätzter Radius 0,63 Sonnenradien). Sein Planetensystem ist gerade so ausgerichtet, dass die Planeten aus Sicht eines Beobachters auf der Erde in regelmäßigen Abständen vor ihrem Mutterstern vorbeilaufen und dabei einen Bruchteil des Sternenlichts abschatten. Auf diese Weise (»Transitmethode«) kann das Weltraumteleskop Kepler, das extrem genaue Helligkeitsmessungen durchführen kann, Planeten um ferne Sterne nachweisen. Das gelang auch bei dem Stern, der entsprechend des für das Weltraumteleskop benutzten Katalogs die Bezeichnung Kepler-62 trägt: Hier wies Kepler fünf Planeten nach, die den üblichen Konventionen folgend Kepler-62b bis Kepler-62f genannt wurden.
Ein wichtiger Aspekt der Erforschung von Exoplaneten ist die Suche nach Planeten, auf denen die richtigen Bedingungen für Leben herrschen könnten – ein Schritt in Richtung auf das Ziel, Leben auf fernen Planeten tatsächlich nachzuweisen. Gerade in dieser Hinsicht sind die neuentdeckten Planeten Kepler-62e und Kepler-62f hochinteressant. Lisa Kaltenegger, Expertin für die Atmosphären insbesondere erdähnlicher Exoplaneten und die Wissenschaftlerin, die die entsprechenden Analysen für das Kepler-62-System durchführte, erklärt:
»Ich habe von dieser spannenden Entdeckung erstmals von William Borucki gehört, der mich im Oktober 2012 auf einer Konferenz ansprach. Das Kepler-Team hat mich dann gebeten, zu untersuchen, ob Kepler-62e oder Kepler-62f in die lebensfreundliche 'habitable Zone' ihres Heimatsterns fallen. Wie sich herausstellt, ist das der Fall – und diese Planeten sind etwas ganz Besonderes, weil sie die bislang kleinsten sind, die wir in der habitablen Zone eines Sterns gefunden haben.«
Der Radius von Kepler-62e ist 1,61 mal so groß wie jener der Erde, der von Kepler-62f 1,41 mal so groß. Zuvor war der kleinste Planet in einer habitablen Zone, dessen Radius bekannt war, Kepler-22b gewesen, mit dem 2,4-fachen Erdradius.
»Bisher waren alle interessanten Planeten in habitablen Zonen solche, die mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen worden waren. Dieses Verfahren liefert aber naturgemäß nur eine Untergrenze für die Masse eines Planeten, und keine Information über seinen Radius. Allein aufgrund der Masse ist es aber schwierig zu beurteilen, ob es sich um einen erdartigen Planeten, also einen Planeten mit fester Oberfläche handelt. Ein Radius von weniger als dem Doppelten des Erdradius ist dagegen ein deutliches Zeichen, das es sich um einen erdähnlichen Planeten handelt – es sei denn, wir betrachteten einen Planeten, der einen äußerst jungen Stern umkreist.«
Dass es sich bei den neuentdeckten Planeten tatsächlich um Felsplaneten mit solider Oberfläche handelt, und nicht um Gasplaneten wie Jupiter oder Neptun, ist ein Schlüsselaspekt der neuen Entdeckung. Die interessantesten sicheren Kandidaten für habitable Planeten, die bislang bekannt sind (GJ 667Cc, Gl 581d, HD 85512b und Gl 163c) wurden sämtlich mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen, die lediglich Rückschlüsse auf die Mindestmasse des untersuchten Planeten zulässt. Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zeigen, dass die tatsächliche Masse des Planeten in den meisten Fällen zwischen dieser Mindestmasse und dem Doppelten der Mindestmasse liegt. Für die erwähnten Kandidaten würde dies bedeuten, dass es sich um Felsplaneten, aber durchaus auch um Miniaturversionen des Neptun handeln könnte. Ein warnendes Beispiel ist der Planet Kepler-11f, ein Mini-Neptun mit 2,3 Erdmassen und dem 2,6fachen des Erdradius.
»Aussagen über die Lebensfreundlichkeit eines Planeten hängen immer von zusätzlichen Annahmen ab. Nehmen wir an, bei Kepler-62e und -62f handle es sich in der Tat um Felsplaneten, wie ihre Radien nahelegen. Nehmen wir weiterhin an, dass es auf diesen Planeten Wasser gibt, und dass ihre Atmosphäre eine ähnliche Zusammensetzung hat wie jene der Erde, also vor allem Stickstoff, mit Anteilen von Wasser und Kohlenstoffdioxid. Unter diesen Voraussetzungen könnten beide Planeten flüssiges Wasser auf ihrer Oberfläche besitzen. Kepler-62f empfängt weniger Strahlungsenergie von seinem Stern als die Erde von der Sonne und würde dementsprechend mehr Treibhausgase benötigen als die Erde, etwa Kohlenstoffmonoxid, um nicht einzufrieren. Kepler-62e ist seinem Stern näher und benötigt eine hinreichend dichte Wolkendecke, mit der er Strahlungsanteile des Sterns reflektieren kann, damit flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche möglich ist.«
Ob ein Planet lebensfreundlich ist oder nicht, entscheiden die Wissenschaftler dabei daran, ob auf ihm flüssiges Wasser existieren kann – die Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen. Ob er im astronomischen Sinne habitabel ist (in der habitablen Zone seines Sterns liegt) ist ein noch etwas schärferes Kriterium – es setzt die Möglichkeit voraus, dass es auf der Oberfläche des Planeten flüssiges Wasser gibt. Das ist dem derzeitigen Stand nach die Voraussetzung dafür, dass sich Leben auf diesem Planeten möglicherweise in Zukunft mithilfe astronomischer Beobachtungen nachweisen lässt.
Habitabilität bedeutet nicht notwendigerweise, dass der betreffende Planet bis ins Detail so aussieht wie die Erde. Im Gegenteil wären Planeten mit hinreichend größerem Radius als die Erde, wie Kepler-62e und Kepler-62f, bei gleicher chemischer Zusammensetzung höchstwahrscheinlich Wasserwelten, deren Oberfläche von einem tiefen, globalen Ozean bedeckt ist.
Das Ergebnis der Habitabilitäts-Analyse zeigt nicht, dass der betreffende Planet tatsächlich habitable ist – nur, dass er es, die richtigen Atmosphärenbedingungen vorausgesetzt, sein könnte. Ein definitiver Nachweis ist derzeit noch Zukunftsmusik. Er kann erst gelingen, wenn mit größeren Teleskopen als den derzeit verfügbaren eine spektroskopische Analyse von Planetenatmosphären möglich wird, man also eine Art »chemischen Fingerabdruck« des Planeten bekommen kann. Ein wichtiger Teil der Arbeit von Kaltenegger und ihren Mitarbeitern besteht darin, Modellrechnungen anzustellen, wie die chemischen Fingerabdrücke bestimmter Sorten von Planet, eben beispielsweise auch Kepler-62e und -62f, aussehen können.
Letztlich könnten diese zukünftigen Beobachtungen sogar die chemischen Spuren von Leben auf einem anderen Planeten zutage fördern. Aber bis solche direkten Messungen möglich sind, können wir nicht mehr tun, als die Habitabilität neu entdeckter Planeten unter Einbeziehung aller verfügbaren Daten abzuschätzen – und eine solche Abschätzung zeigt, dass Kepler-62e und -62f die aussichtsreichsten Kandidaten sind, von denen wir bislang wissen.
Kaltenegger schließt:
»Was Kepler-62e und Kepler-62f so spannend macht, ist zweierlei: Zum einen kennen wir ihren Radius, und der weist daraufhin, dass es sich in der Tat um erdähnliche Planeten handelt. Außerdem liegen diese Planeten in der habitablen Zone ihres Sterns. Das macht sie zu den besten Kandidaten für habitable Planeten, die wir kennen. Und es war sehr aufregend für mich, bei dieser bahnbrechenden Entdeckung der Kepler-Mission dabei gewesen zu sein.«
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Abbildung 2: Massen und Größen (Radien) für ausgewählte Planeten. Die eingezeichneten Kurven zeigen den Zusammenhang zwischen Masse und Radius (entspricht der mittleren Dichte) für verschiedene Sorten von Planeten. Die blaue Linie beispielsweise entspricht Planeten, die überwiegend (75%) aus Wasser bestehen, die schwarze Linie solchen, die wie unsere Erde überwiegend aus Fels bestehen (hier vertreten durch das Mineral Enstatit, MgSiO3, aus der Gruppe der Pyroxene, welche den Großteil des Erdmantels ausmachen) usw. Die gemessenen Radien von Kepler-62e und Kepler-62 plus eine Abschätzung ihrer Massen sind als blaue Flächen eingezeichnet und eigen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um erdähnliche Planeten handelt: Planeten mit einer festen (obschon möglicherweise ozeanbedeckten) Oberfläche. Kepler-11f, ein Mini-Neptun, zeigt beispielhaft, dass eine verhältnismäßig niedrige Masse alleine noch nicht heißt, dass man es mit einem erdähnlichen Planeten zu tun hat.
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Abbildung 3: Die habitable Zone, in der flüssiges Wasser auf einer Planetenoberfläche existieren kann, für verschiedene Arten von Stern. Oben sind die inneren Planeten unseres eigenen Sonnensystems zu sehen, von denen sich Erde und Mars in der habitablen Zone befinden. Kepler-62 ist deutlich kühler als die Sonne, und Kepler-62e und -62f befinden sich in seiner habitablen Zone. Für Kepler-69c, dessen Entdeckung ebenfalls heute bekanntgegeben wurde, ist der Energieausstoß seines Sterns nicht genau genug bekannt; die Messgenauigkeit lässt zu, dass sich auch dieser Planet möglicherweise in der habitablen Zone seines Sterns befindet. Kepler-22b, der bis zu den jüngsten Entdeckungen kleinste Planet in der habitablen Zone seines Sterns, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mini-Neptun, kein erdähnlicher Planet. Was hier als empirische habitable Zone bezeichnet wird bezeichnet den Abstandsbereich, in dem flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche existieren kann, falls der betreffende Planet eine ausreichende Wolkendecke besitzt. In der konservativen habitablen Zone kann flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche auch ohne das Vorliegen einer Wolkendecke existieren.