22.08.2017
Internationales Forscherteam enthüllt Innenleben kosmischer Eisgiganten
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) konnten mit Kollegen aus Deutschland und den USA zeigen, dass sich in den Eisriesen unseres Sonnensystems „Diamantregen“ bildet. Mit dem ultrastarken Röntgenlaser und weiteren Anlagen des Stanford Linear Accelerator Centers (SLAC) in Kalifornien simulierten sie Bedingungen wie im Inneren der kosmischen Giganten. Dadurch konnten die Forscher erstmals in Echtzeit die Aufspaltung von Kohlenwasserstoff und die Umwandlung des Kohlenstoffes in Diamant beobachten. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-017-0219) veröffentlicht.
Ein fester Kern, den dichte Schichten „Eis“ umhüllen – so sieht das Innenleben von Planeten, wie Neptun oder Uranus, aus. Dieses kosmische „Eis“ setzt sich vor allem aus Kohlenwasserstoffen, Wasser und Ammoniak zusammen. Seit langem spekulieren Astrophysiker, dass die extrem hohen Drücke, die etwa 10.000 Kilometer unter der Oberfläche solcher Planeten vorherrschen, den Kohlenwasserstoff auftrennen. Dabei bilden sich Diamanten, die weiter ins Innere sinken. „Bislang konnte dieser glitzernde Niederschlag aber nicht direkt experimentell beobachtet werden“, erzählt Dr. Dominik Kraus vom HZDR. Genau das konnte der Leiter einer Helmholtz-Nachwuchsgruppe mit einem internationalen Team nun jedoch ändern. „In unseren Untersuchungen haben wir eine spezielle Form von Plastik – Polystyrol, das auch aus einem Mix von Kohlen- und Wasserstoff aufgebaut ist – Bedingungen ausgesetzt, die dem Innenleben von Neptun und Uranus ähneln.“
Wenn die Schockwellen durch die Probe rasen
Um das zu erreichen, schickten sie durch die Proben zwei Schockwellen, die sie mit einem extrem starken optischen Laser in Kombination mit der SLAC-Röntgenlaserquelle Linac Coherent Light Source (LCLS) angeregt hatten. Dadurch pressten sie das Plastik mit einem Druck von rund 150 Gigapascal bei einer Temperatur von rund 5.000 Grad Celsius zusammen. „Die erste, kleinere und langsamere Welle wird dabei von der stärkeren, zweiten überholt“, erläutert Dominik Kraus. „In dem Moment, in dem sich beide Wellen überschneiden, bilden sich die meisten Diamanten.“ Da dies nur Bruchteile von Sekunden dauert, nutzten die Forscher die ultraschnelle Röntgenbeugung, die ihnen Momentaufnahmen von der Entstehung der Diamanten und der chemischen Prozesse lieferte. „Die Experimente zeigen, dass sich fast alle Kohlenstoff-Atome in nanometergroße Diamantstrukturen zusammenschließen“, fasst der Dresdner Forscher zusammen.
Ausgehend von den Ergebnissen vermuten die Autoren der Studie, dass die Diamanten auf Neptun und Uranus viel größere Strukturen annehmen und wahrscheinlich über tausende Jahre langsam in den Planetenkern hinabsinken. „Aus unseren Erkenntnissen können wir außerdem Informationen gewinnen, um den Aufbau von Exoplaneten besser zu verstehen“, gibt Kraus einen Ausblick. Bei diesen kosmischen Giganten außerhalb unseres Sonnensystems können Forscher vor allem zwei Kenngrößen messen: die Masse, die sich aus Positionsschwankungen des Muttersterns ergibt, und den Radius, den Astronomen aus dem Schatten ableiten, der sich bildet, wenn der Planet einen Stern passiert. Das Verhältnis zwischen den beiden Größen liefert Anhaltspunkte über den chemischen Aufbau, zum Beispiel ob sich der Planet aus leichten oder schweren Elementen zusammensetzt.
„Und die chemischen Prozesse im Inneren verraten uns wiederum Aspekte über entscheidende Eigenschaften der Planeten“, fährt Dominik Kraus fort. „Dadurch können wir die Planentenmodelle verbessern. Wie unsere Untersuchungen zeigen, sind Simulationen hier bislang nicht exakt.“ Neben den astrophysikalischen Erkenntnissen könnten die Versuche aber auch einen praktischen Nutzen haben. So werden Nano-Diamanten, wie sie in den Experimenten entstehen, zum Beispiel für elektronische Instrumente und medizinische Verfahren, aber auch als Schneidstoffe in der industriellen Fertigung verwendet. Derzeit läuft die Herstellung hauptsächlich über Sprengungen. Die Produktion mit Lasern könnte ein Verfahren ermöglichen, dass sauberer und leichter zu kontrollieren ist.
Neben den HZDR- und SLAC-Forschern waren an den Untersuchungen auch Wissenschaftler der University of California in Berkeley, des Lawrence Livermore National Laboratory, des Lawrence Berkeley National Laboratory, des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, der Osaka Universität, der TU Darmstadt, des Europäischen Röntgenlasers XFEL, der University of Michigan sowie der University of Warwick beteiligt.
Quelle: Institut für Strahlenphysik am HZDR