Blogarchiv
Astronomie - Die Farbenpracht der Weltraum-Möwe

-

Diese neue Aufnahme vom La Silla-Observatorium der ESO zeigt einen Ausschnitt aus einer Sternkinderstube, die im Englischen den Spitznamen “Seagull Nebula” trägt. Offiziell fungiert der „Möwennebel“ unter der Bezeichnung Sharpless 2-292. Die hier sichtbare Gaswolke ist in der Tat wie der Kopf einer Möwe geformt und leuchtet mit beachtlicher Helligkeit – verantwortlich dafür ist insbesondere ein heißer, junger Stern im Wolkeninneren. Die detailreiche Aufnahme wurde mit dem Wide Field Imager erstellt, der Kamera am MPG-ESO-2,2 Meter-Teleskop.

Nebelgebiete gehören zu den eindrucksvollsten Beobachtungsobjekten, die der Nachthimmel zu bieten hat. Es handelt sich dabei um interstellare Wolken aus Staub, Molekülen, Wasserstoff, Helium und anderen ionisierten Gasen, in denen neue Sterne geboren werden. Die Formen- und Farbenvielfalt dieser Objekte inspiriert ihre Entdecker regelmäßig – und auch in diesem Fall – zu kreativer Namenswahl.

Das neue Bild des Wide Field Imager am MPG-ESO-2,2 Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile zeigt die Kopfpartie des Möwennebels [1]. Diese Region ist nur ein Teil eines größeren Nebels, der offiziell als IC 2177 bezeichnet wird und einer fliegenden Möwe ähnelt – und das bei einer Flügelspanne von 100 Lichtjahren. Die Gesamtansicht des kosmischen Seevogels zeigt sich in Aufnahmen mit großem Gesichtsfeld.

-

-

Der Möwennebel liegt auf der Grenze zwischen den Sternbildern Einhorn und Großer Hund in der Nähe von Sirius, dem hellsten Stern am Nachthimmel. Der Nebel ist allerdings mehr als 400 Mal soweit von der Erde entfernt wie sein bekannter Nachbarstern.
Die Gas- und Staubregion, die den Kopf der Möwe bildet, zeigt ein helles Leuchten. Dafür ist die starke Ultraviolettstrahlung verantwortlich, die weitgehend von einem einzigen hellen jungen Stern herrührt (HD 53367 [2]), der in der Bildmitte sichtbar ist und als Auge der Möwe interpretiert werden kann.
Die Strahlung der jungen Sterne regt das umgebende Wasserstoffgas zu einem charakteristischen rötlichen Leuchten an und verwandelt es in sogenannte HII-Regionen [3]. Etwas von dem Licht der heißen, bläulich-weißen Sterne wird außerdem an winzigen Staubteilchen des Nebels reflektiert. Daher rühren die im Bild sichtbaren bläulichen Nebelregionen.
Während eine kleine, helle Region des größeren Möwennebel-Umfeldes bereits 1785 von dem deutsch-britischen Astronomen Sir William Herschel beobachtet wurde, konnte der hier gezeigte Bereich erst ein gutes Jahrhundert später nach dem Aufkommen fotografischer Methoden nachgewiesen werden.
Zufällig liegt der Nebel nicht allzu weit von Thors Helm (NGC 2359) entfernt, dem Gewinnerobjekt des ESO-Wettbewerbs „Sie entscheiden was das VLT beobachtet“ (vgl. ann12060). Dieser Nebel mit seiner charakteristischen Form und seinem ungewöhnlichen Namen war – eine Premiere – von der Öffentlichkeit als Beobachtungsziel für das Very Large Telescope der ESO ausgewählt worden. Die entsprechenden Beobachtungen werden Teil der Festlichkeiten zum 50. Jahrestag der ESO-Gründung am 5. Oktober 2012 stattfinden und live vom Paranal-Observatorium, dem Standort des VLT, übertragen werden: Bleiben Sie dran!
Endnoten
[1] Das Objekt hat noch eine Reihe weiterer Bezeichnungen bekommen: Sh 2-292, RCW 2 und Gum 1. Die Bezeichnung Sh 2-292 sagt aus, dass es sich um Objekt Nummer 292 im 1959 veröffentlichten zweiten Sharpless-Katalog der HII-Regionen handelt. Die RCW-Nummer bezieht sich auf einen 1960 veröffentlichten Katalog, den Rodgers, Campbell und Whiteoak zusammengestellt haben. Das Objekt war außerdem das erste in einer Liste der südlichen Nebel, die Colin Gum zusammengestellt und 1955 veröffentlicht hat.
[2] HD 53367 ist ein junger Stern, der zwanzig mal soviel Masse besitzt wie unsere Sonne. Es handelt sich um einen sogenannten Be-Stern, anders ausgedrückt: einen B-Stern, dessen Spektrum prominente Wasserstoff-Emissionslinien aufweist. Der Stern hat einen Begleiter mit dem fünffachen der Sonnenmasse, der sich auf einer langgestreckt-elliptischen Umlaufbahn befindet.
[3] HII-Regionen sind Regionen, die aus ionisiertem Wasserstoff (Elementsymbol H) bestehen, dessen Elektronen nicht mehr an entsprechende Protonen gebunden sind. HI ist die Bezeichnung für nicht-ionisierten, neutralen Wasserstoff. Das rötliche Leuchten der HII-Regionen entsteht, wenn Protonen und Elektronen sich wieder zusammenfinden und dabei Energie bei bestimmten, genau definierten Wellenlängen bzw. Farben abgeben. Ein besonders wichtiger Übergang dabei nennt sich H-alpha und ist für die charakteristische rötliche Farbe verantwortlich.

Quelle: ESO

5441 Views
Raumfahrt+Astronomie-Blog von CENAP 0