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Die europäische Orbitermission Venus Express lieferte über acht Jahre, zwischen 2006 und 2014, eine enorme Fülle an Messdaten und Aufnahmen von der Atmosphäre und Oberfläche des Schwesterplaneten der Erde. Anhand von spektroskopischen Messungen in Wellenlängen des nahen Infrarot haben Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an den Flanken von Idunn Mons, einem Vulkan auf der Südhalbkugel der Venus mit 200 Kilometern Basisdurchmesser, Anomalien in den Messungen identifiziert, die auf Spuren von jungem Vulkanismus auf der Venus hindeuten. "Es ist uns gelungen, einzelne Lavaströme zu identifizieren und ihre Ausdehnung zu kartieren, die an der Caldera am Gipfel des Vulkans ihren Ausgang nehmen und sich über die Ostflanke erstrecken" sagt Piero d’Incecco vom DLR-Institut für Planetenforschung, der seine Forschungsergebnisse auf der gemeinsamen Konferenz der Division for Planetary Sciences (DPS) der American Astronomical Society und des European Planetary Science Congress im kalifornischen Pasadena vorstellte. "Die Daten deuten stark darauf hin, dass der Vulkan in geologisch jüngerer Zeit aktiv war".
D’Incecco und seine Kollegen wendeten dabei einen technischen Kniff an. "Wir kombinierten die Infrarotmessungen von Venus Express mit den räumlich viel höher aufgelösten topographischen Radardaten der NASA-Mission Magellan, die den Planeten zwischen 1990 und 1992 aus einer Umlaufbahn kartierte. Durch die Kombination der Datensätze zweier unterschiedlicher Missionen ist es zum ersten Mal die Kartierung einer noch vor kurzem aktiven vulkanischen Struktur auf einem anderen Himmelskörper als der Erde gelungen".
Erhöhte Temperatur am Vulkan
Dabei gestatte der Orbit von Venus Express es, insbesondere die Südhalbkugel der Venus in Wellenlängen des nahen Infrarot gut zu beobachten: Dazu wurde das Experiment VIRTIS (Visible and InfraRed Thermal Imaging Spectrometer) eingesetzt, das in bestimmten Wellenlängen die von der Venusoberfläche abgegebene und durch die Venusatmosphäre dringende Wärmestrahlung aufzeichnete. Allerdings begrenzt die den ganzen Planeten permanent einhüllende Wolkendecke die räumliche Auflösung der VIRTIS-Beobachtungen, ähnlich einer Fotografie im Nebel. Mit einer numerischen Modellierung der Daten konnte nun die Auflösung dieser Messungen erhöht werden.
Die DLR-Planetenforscher analysierten die Aufzeichnungen der Spitze und der Ostflanke des Vulkans Idunn Mons und stießen auf ungewöhnlich hohe Temperaturwerte für die Oberfläche. Die erhöhten Temperaturen deuten darauf hin, dass dieser Vulkan in geologisch relativ junger Vergangenheit aktiv gewesen sein könnte.
Die Lavadecke auf dem Gipfelplateau des Idunn Mons hat dabei einen Durchmesser von stellenweise mehr als 100 Kilometern, auch die Lavaströme an den Flanken von Idunn Mons sind zwischen 50 und 150 Kilometer lang, was auf eine dünnflüssige Lava basaltischer Zusammensetzung hindeutet. Basalte sind vulkanische Gesteine reich an Eisen und Magnesium und die häufigsten im Sonnensystem vorkommende Vulkanite: So bestehen die dunklen Gebiete auf dem Mond aus Basalt, oder auch die Ozeanböden der Erde, die Hawaii-Vulkane, der Ätna oder die Eifel.
Schwesterplanet mit Treibhauseffekt
Hauptaufgabe der Venus Express-Mission war die Untersuchung der Dynamik und Zusammensetzung der Venusatmosphäre, aber auch der Oberfläche des Planeten. Die Venus ist nur geringfügig kleiner ist als die Erde, ihre Entwicklung hat aber eine ganz andere Richtung genommen: Der Planet ist permanent von einer dichten Wolkenhülle umgeben, die Atmosphäre hat etwa 90 mal so viel Masse wie die Erde und besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid, das für einen enormen Treibhauseffekt mit Temperaturen an der Oberfläche von 440 bis zu fast 500 Grad Celsius sorgt. Der Gasdruck beträgt dort über 90 bar, was dem Druck in 900 Meter Meerestiefe entspricht. Bisher sind die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die Venus zwar vor etwa 500 bis 600 Millionen Jahren global von Vulkanausbrüchen verändert wurde, es aber in der jüngeren geologischen Vergangenheit eher keinen aktiven Vulkanismus gab. Weder Magellan noch Venus Express zeigten zunächst Anzeichen hierfür.
VIRTIS war eines von sieben Experimenten an Bord von Venus Express. Mit dem in Italien, Frankreich und im DLR entwickelten Instrument wurden die untere Atmosphäre der Venus und die Temperaturen auf der Oberfläche in Wellenlängen der UV-Strahlung, des sichtbaren Lichts und des nahen Infrarots untersucht. Die Ostflanke des Vulkans Idunn Mons fiel bereits im Jahre 2010 in VIRTIS-Daten durch eine ungewöhnliche hohe thermale Abstrahlung bei einer Wellenlänge von einem Mikrometer auf. Aus diesem Grund unterzogen die DLR-Planetenforscher Piero D’Incecco, Nils Müller, Jörn Helbert und Mario D'Amore diesem einzigen, markanten Vulkan in der Region Imdr einer genaueren Untersuchung und wendeten erstmals die Kombination der Venus Express- und Magellan-Datensätze an. Dabei entdeckten sie am Gipfel und an der Ostflanke von Idunn Mons erneut Abweichungen der thermalen Abstrahlung – nun aber in höherer Auflösung.
Die Suche nach dem genauen Ort und der Ausdehnung der Lavaströme
Hierbei wurde eine neue Auswertemethode eingesetzt, die in der DLR-Gruppe für Planetenspektroskopische Labore entwickelt wurde. Ziel der Studie war es, die Position und die Ausdehnung der Anomalien genauer eingrenzen zu können. Dies ist mit der Identifikation der jüngsten Lavaströme an Idunn Mons auf Anhieb gelungen. Dabei wurden alle Lavaströme in ihrer Ausdehnung auf Basis der Radardaten kartiert. Dann wurden verschiedene Varianten für Intensität der Wärmeabstrahlung (Emissivität) bei einer Wellenlänge von einem Mikrometer für jeden einzelnen Lavastrom auf die kartierten Lava-Einheiten projiziert. Jede simulierte Szene wurde mit den Daten verglichen, die mit VIRTIS gemessen wurden. Für jede Simulation wurde die absolute Abweichung von den gemessenen Werten auf der Basis eines Quadratwurzel-Fehlers berechnet. Aus der Konfiguration, in der diese beiden Datensätze am besten zueinander passten, kann dann auf die Emissivität jedes einzelnen Lavastroms bei einer Wellenlänge von einem Mikrometer geschlossen werden. Die Lavaströme an der Idunn Mons-Ostflanke sind danach mit hoher Wahrscheinlichkeit Quelle der hohen Abstrahlungswerte in den VIRTIS Daten. Hohe Emissivitätswerte sind ein Anzeichen für geringe Verwitterung und damit auch geringes Alter der Lavaströme.
Die Stratigraphie der Region und die daraus abgeleitete zeitliche Reihenfolge der Vulkanausbrüche bestätigt dieses Ergebnis unabhängig von der Modellierung. Die Werte der durchschnittlichen Mikrowellen-Emissivität entsprechen dem globalen Durchschnitt auf der Venusoberfläche. Sie stimmen mit den Labormesswerten für trockene Basalte überein.
Fortschritt für zukünftige Venus-Missionen
Die Studie der DLR-Planetenforscher wird zukünftige Projekte bei der Erforschung der Venus positiv beeinflussen, wie zum Beispiel die vorgeschlagene Discovery-Mission VERITAS der NASA oder der Vorschlag für eine Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA mit Namen EnVision. Die Kombination von hochaufgelösten Radardaten mit der flächenhaften Kartierung der Zusammensetzung der Venus-Oberfläche im nahen Infrarot dürfte bedeutende wissenschaftliche Fortschritte bei der Erforschung der Geologie der Venus ermöglichen.
Quelle: DLR