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Mars-Chroniken - Tektonischer Stress auf dem Mars: die Horst- und Grabenlandschaft von Ascuris Planum

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Im Vergleich zu Physik, Mathematik oder Astronomie ist die Geologie eine junge Wissenschaft. Sie entwickelte sich erst in den letzten paar Jahrhunderten zu einem eigenen Forschungszweig. Dieser gründete auf den Erfahrungen bei der Suche nach Rohstoffen und Erzen in Europa. Vor allem in den Mittelgebirgen im Zentrum des Kontinents und den Alpen wurde Bergbau betrieben, weshalb zahlreiche deutsche Fachbegriffe Eingang in die heute überwiegend englische geologische Fachterminologie fanden. Ein besonders markantes Beispiel hierfür ist die sogenannte "Horst- und Grabenstruktur". Dieses auffällige tektonische Phänomen von tiefen Gräben und dazwischen liegenden erhöhten Schollen findet man auf dem Mars an zahlreichen Stellen.
Eine solche Horst- und Grabenlandschaft ist das Gebiet Ascuris Planum, das auf diesen Bildern zu sehen ist. Sie wurden mit der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express aufgenommen. Das Gebiet liegt im Nordosten der großen Vulkanregion Tharsis, wo es viele weitere solcher geologischen Strukturen gibt. Die Tharsis-Region hat einen Durchmesser von mehreren tausend Kilometern und besitzt eine schildförmige Aufwölbung von etwa fünf Kilometern, die im Laufe von mehreren Milliarden Jahren entstanden ist. Dadurch kam es zu massiven Dehnungsspannungen, die große Regionen in Horst- und Graben-Landschaften verwandelten.
Wie entstehen Horst-Graben-Strukturen?
Wird eine starre, spröde Gesteinskruste gedehnt, beispielsweise weil der Untergrund angehoben wird, gerät die darüber liegende Oberfläche unter Spannung. Steigt die Dehnungsspannung über die für das Gestein "erträglichen" Grenzwerte, kommt es zu einem Aufbrechen der Kruste: Eine Störungszone entsteht. Dehnt sich die Kruste weiter, rutschen große Gesteinsblöcke entlang der Dehnungsbrüche mehrere hundert Meter in die Tiefe - über viele Millionen Jahre entsteht so ein tektonischer Graben. Die zu beiden Seiten stehen gebliebenen Blöcke überragen nun die Landschaft und bilden die dazu gehörigen Horste.
Ascuris Planum ist eine Landschaft mit vielen interessanten geologischen Aspekten. Neben der komplexen Tektonik sind insbesondere die vulkanischen Phänomene von Interesse. Vulkanismus hat überall in der Tharsis-Region eine "große" Rolle gespielt: In unmittelbarer Nachbarschaft zu Ascuris Planum schließt sich im Westen mit Alba Patera einer der größten Vulkane auf dem Mars an. Auch zahlreiche kleinere Schildvulkane, wie zum Beispiel der Labeatis Mons (siehe Bild 4), befinden sich in dieser Gegend.
Die geradlinigen bis leicht gekrümmt verlaufenden Störungen, die ursächlich für die Horst- und Grabenlandschaft sind, fallen hier besonders ins Auge. Es handelt sich bei Ascuris Planum um einen Teil der Marskruste, der über einen sehr langen Zeitraum der Marsgeschichte unter hohem tektonischem "Stress" gestanden haben muss. Die meist parallelen Gräben haben einen Verlauf von Nordosten nach Südwesten. Allerdings gibt es auch Gräben, die diese Hauptrichtung schneiden. Dies weist auf eine Veränderung im "Stress-Regime" hin, wie die Geologen solche Krustenspannungen beschreiben. In der linken Bildhälfte (Bilder 2, 3 und 5) sehen die Kanten der Gräben frischer und weniger stark erodiert aus, dürften also zu einer jüngeren Generation von Brüchen gehören. Auf den höchsten Erhebungen - die am besten in der farbkodierten topographischen Bildkarte (Bild 5) zu erkennen sind - finden sich einige erstarrte Lavaströme. Solche Lavaströme könnten entlang der Störungslinien ausgetreten sein, so wie es heute zum Teil auch auf den Hawaii-Inseln geschieht.
Grubenkrater-Ketten: Hinweis auf Lavaströme oder Wasser
In der rechten Bildhälfte (Bilder 2, 3 und 5) existieren einige parallel verlaufende Gräben und ein Einschlagskrater, dessen Kraterwand eine Öffnung aufweist. Der Krater ist also älter als die tektonischen Brüche. Anhand solcher Beobachtungen lassen sich die geologischen Abläufe bis zu einem gewissen Grad zeitlich einordnen. Auffallend ist auch eine Aneinanderreihung von einzelnen, kreisrunden kesselartigen Vertiefungen - Gruben mit steilen Wänden, die sich entlang von weiteren Störungslinien in der spröden Kruste gebildet haben. Die Geologen sprechen hier von Grubenkrater-Ketten. Sie treten häufig auf den Flanken von flachen Schildvulkanen auf und könnten den Verlauf von früher existenten Lavakanälen unter der Oberfläche anzeigen. Im Laufe der Zeit stürzen Teile der Gesteinsdecke über solchen entleerten Lavakanälen ein und bilden so dieses Muster. Auch dieses Phänomen findet sich auf der Erde an verschiedenen Stellen, beispielsweise auf Hawaii.
Doch es gibt auch andere Erklärungsversuche für diese Grubenkrater-Ketten, die nicht im Zusammenhang mit Vulkanismus stehen. Sie folgen dem Ansatz, dass die Kruste gedehnt wurde. Dadurch entstanden diese Vertiefungen, in die anschließend Material hineinrutschte. Auch Grundwasser könnte bei der Entstehung dieser Strukturen eine Rolle gespielt haben: Auf der Erde treten solche Aneinanderreihungen von "Löchern" in einer ansonsten intakten Landschaft insbesondere in den Kalkgebirgen auf und werden als Dolinen bezeichnet. Das sind kreisrunde Vertiefungen, wie sie beispielsweise in den Karstlandschaften in Südosteuropa und auf der Schwäbischen Alb häufig anzutreffen sind. Sie entstehen, wenn das Kohlendioxid der Luft sich mit Wasser zu Kohlensäure verbindet, das wiederum als Bestandteil des Oberflächenwassers das Kalkgestein angreift und durch Sickerwasser im Untergrund Höhlen entstehen lässt. Die Höhlendecken stürzen dann ein, wenn diese nicht mehr tragen. Zwar gibt es auf dem Mars keine Kalkgesteine, aber durchaus auch wasserlösliche Ablagerungen, beispielsweise in Form von Sulfaten, die an vielen Stellen auftreten, an denen Wasser vorhanden war.
Bildverarbeitung
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 10. November 2014 während Orbit 13.785 von Mars Express bei 281 Grad östlicher Länge und 39 Grad nördlicher Breite. Die Bildauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Farbdraufsicht (Bild 2) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 1) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 3), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Quelle: DLR
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