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TEXUS 51 ist am 23. April 2015 um 9.35 Uhr Mitteleuropäischer Zeit vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden in den Weltraum gestartet. Die Forschungsrakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) trug vier deutsche Experimente aus Biologie und Materialforschung in in eine Höhe von 259 Kilometern. Während des rund zwanzigminütigen Forschungsfluges befanden sich die Experimente rund sechs Minuten lang in Schwerelosigkeit. Ein Fallschirm brachte die Nutzlasten danach wieder zurück zum Boden.
Qualität und Wirkungsgrad von Solarzellen zu verbessern ist Ziel des Experiments "ParSiWal" (Bestimmung der kritischen Einfanggeschwindigkeit von Partikeln bei der gerichteten Erstarrung von Solarsilizium im Weltall). Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) in Erlangen, der Universität Freiburg und der Universität Bayreuth beschäftigen sich dabei mit dem unerwünschten Einbau von Siliziumkarbid-Partikeln, der bei der Kristallisation von Siliziumkristallen auftreten kann. Denn bei der industriellen Produktion von Silizium-Solarzellen für die Photovoltaik behindern Siliziumkarbid-Partikel die mechanische Bearbeitung des Produktes und verschlechtern den Wirkungsgrad der Solarzellen. Der Einbau der Partikel in den Siliziumkristall soll deshalb vermieden werden. Die Wissenschaftler wollen daher experimentell klären, welche Mechanismen für diesen Vorgang verantwortlich sind. Schwerelosigkeit ist für die Untersuchungen eine wichtige Voraussetzung, da die Schwerkraft maßgeblich die Strömung in der Schmelze beeinflusst.
Beim Experiment "FOKUS" (Faserlaser-basierter optischer Kammgenerator unter Schwerelosigkeit) wird ein so genannter Frequenzkamm, also ein spezieller Laser, der am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München entwickelt wurde, auf seine Anwendungsfähigkeit in der Raumfahrt getestet. Herzstück eines Frequenzkammes ist ein gepulster Laser, der optische Frequenzen misst. Künftig soll diese Technologie in der Präzisions-Spektroskopie, etwa bei der Untersuchung von Spurengasen in der Atmosphäre, in der Astrophysik oder bei neuartigen, extrem genauen Atomuhren für Forschungsmissionen oder für die Navigation eingesetzt werden.
Manche Astronauten leiden bei längeren Aufenthalten im All verstärkt unter Infektionen. Die Gründe für diese Störungen des menschlichen Immunsystems, die in der Schwerelosigkeit auftreten, will eine Wissenschaftlergruppe der Universität Magdeburg mit dem Experiment "SITI-2" (Signaltransduktion in Zellen des Immunsystems in Schwerelosigkeit) klären. Auf dem TEXUS-51-Flug werden dazu Zellkulturen der Schwerelosigkeit ausgesetzt, in denen die Aktivität von Genen des Immunsystems mithilfe moderner DNA-Chip-Technologie untersucht werden soll. Sollte sich die Vermutung der Wissenschaftler bestätigen, dass bestimmte Moleküle der Zellmembran für die Störungen verantwortlich sind, könnten diese Erkenntnisse langfristig zu neuen Ansätzen bei der Bekämpfung von Krankheiten führen.
Im materialwissenschaftlichen Experiment "TRACE-3" (Transition from columnar to equiaxed solidification in a transparent model alloy) vom Forschungszentrum ACCESS in Aachen analysieren die Wissenschaftler Vorgänge und Strukturen, die bei der Erstarrung metallischer Legierungen eine Rolle spielen. Dies überprüfen die Wissenschaftler beispielhaft an einem Gemisch organischer Substanzen, das ähnlich wie flüssiges Metall erstarrt. Der Erstarrungsprozess kann dabei direkt beobachtet werden, da die Legierung durchsichtig ist. Die Daten sollen industrielle Gießprozesse verbessern.
TEXUS-Doppelkampagne: Zwei Raketen in einer Woche
Bereits am 27. April 2015 soll TEXUS 52 mit drei weiteren Experimenten deutscher Wissenschaftler startbereit sein: Mit der neu entwickelten Experimentanlage "Flumias" kommt zum ersten Mal ein spezielles Lichtmikroskop, ein so genanntes konfokales Laserscanning-Mikroskop (CLSM) auf einem TEXUS-Flug zum Einsatz. Dieses Instrument ermöglicht es, lebende biologische Proben über einen längeren Zeitraum zu untersuchen. Dies geschieht durch die Aufnahme von dreidimensionalen, zeitlich und räumlich hochaufgelösten fluoreszenzmikroskopischen Bildern, auch Live-Cell Imaging genannt. Mit dieser Methode wollen drei Arbeitsgruppen aus den Universitäten Stuttgart-Hohenheim und Magdeburg den Nachweis von Effekten der Schwerelosigkeit auf den Aufbau und die Dynamik des Zellskeletts in menschlichen Immun-, Nerven- und Schilddrüsenkarzinomzellen erbringen. Diese Forschung bildet die Grundlage für weitergehende Untersuchungen zur Gesunderhaltung von Astronauten im All und von Patienten auf der Erde. Das Studium weiterer biologischer Proben auf Flumias ist für spätere TEXUS-Flüge vorgesehen.
Im Experiment "OASIS-TEX" (Optical Analysis of Smectic Islands in Space - Thermocapillary Experiments) untersuchen Forscher der Universität Magdeburg und der University of Colorado at Boulder die Eigenschaften von Flüssigkristallschichten. Flüssigkristalle kommen bei der Herstellung von Anzeigegeräten zum Einsatz, in der Medizin, der Kosmetik und in der Waschmittelherstellung. Aus ihnen lassen sich Filme in gleichmäßigen Dicken von wenigen Nanometern (zwei bis drei Molekülschichten) bis zu einigen Mikrometern (etwa 1000 Molekülschichten) herstellen. Man kann sich diese Filme in gekrümmter Form etwa wie besonders stabile Seifenblasen vorstellen. Sie haben interessante strukturelle und dynamische Eigenschaften, sodass sie in der Grundlagenforschung als ideale Modelle für physikalische Phänomene dienen, wie etwa die Wechselwirkung der Moleküle untereinander.
Gemeinsam mit der NASA soll später das Experiment OASIS auf der ISS durchgeführt werden. Der TEXUS-52-Flug dient als Generalprobe. Hierbei können bereits zwei wichtige wissenschaftliche Fragestellungen in Angriff genommen werden: Im ersten Experimentteil werden durch Temperaturunterschiede spezielle Strömungen, so genannte Marangoniströmungen, in einer Filmfläche erzeugt. Dabei erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse, wie die Struktur der einzelnen Moleküle sich auf das makroskopische Strömungsverhalten auswirkt. Im zweiten Experimentteil wird ein Flüssigkeitszylinder zwischen zwei auseinander driftenden Stempeln hergestellt und so weit gedehnt, bis er spontan in einzelne Tropfen zerfällt. Ziel ist es zu erforschen, wie die kristallähnliche Anordnung der Moleküle im Flüssigkristall diesen Vorgang im Vergleich zu einer "normalen" Flüssigkeit beeinflusst.
Inwieweit sich bestimmte Planktonorganismen als Bestandteil zukünftiger bioregenerativer Lebenserhaltungssysteme in Raumstationen oder anderen extremen Umgebungen eignen, untersuchen Wissenschaftler der Universität Bayreuth im Experiment "Daphnia". Ein wichtiger Modellorganismus für diese Forschung ist der Süßwasserfloh Daphnia. Allerdings ist bisher nur wenig über die Wirkung der Schwerkraft beziehungsweise der Schwerelosigkeit auf das Verhalten und die Physiologie dieser Tiere bekannt. Daher ist es wichtig, diese Auswirkungen zunächst in Kurzzeitflügen wie TEXUS zu überprüfen, bevor die möglichen Kandidaten in Lebenserhaltungssystemen im Weltraum einsetzt werden. Außerdem erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse über die verschiedenen schwerkraftwahrnehmenden biologischen Systeme, die sich im Lauf der Evolution entwickelt haben. Die Forscher werden hierfür das Schwimmverhalten der Tiere analysieren und darüber hinaus molekulare Untersuchungen durchführen, um den Einfluss der Schwerelosigkeit auf genetischer Ebene zu erforschen.
Im gesamten TEXUS-Programm wurden seit 1977 etwa 300 wissenschaftliche Experimente durchgeführt, 70 Prozent davon im Auftrag des DLR und etwa 30 Prozent im Rahmen einer Beteiligung durch die europäische Raumfahrtagentur ESA. Mit den Startvorbereitungen und der Durchführung der TEXUS 51/52-Doppelkampagne hat das DLR erneut die Firma Airbus Defense & Space in Bremen beauftragt. Weiterhin beteiligt sind die Firma OHB-System in München und die mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR in Oberpfaffenhofen. Die zweistufige Trägerrakete VSB-30 wurde gemeinsam von den brasilianischen Raumfahrtorganisationen CTA (Centro Técnico Aerospacial) und IAE (Instituto de Aeronáutica e Espaço), der MORABA, sowie der schwedischen Raumfahrtorganisation SSC entwickelt.
Quelle: DLR
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