Die Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express wurden am 21. Juni 2011 aufgenommen und zeigen den Übergang am westlichen Rand von Acidalia Planitia zum Marshochland. Acidalia Planitia ist eine Ebene des nördlichen Tieflands und liegt zwischen der Tharsis-Vulkanprovinz und Arabia Terra im Norden der Valles Marineris. In der Acidalia-Ebene befindet sich auch die berühmte Cydonia-Region (das angebliche Gesicht auf dem Mars). Das abgebildete Gebiet hat eine Ausdehnung von etwa 150 Kilometer mal 70 Kilometer, ist also etwas größer als die Mittelmeerinsel Kreta. Acidalia ist der Name einer Quelle im zentralgriechischen Böotien (heute Attika), in der nach der Legende die Liebesgöttin Venus häufig mit den Grazien badete und ihr deshalb gelegentlich der Zusatz Acidalia verliehen wird (Venus Acidalia).
Einst starke Wasseraktivität auf der Marsoberfläche
In dieser Zone des Übergangs vom Marshochland in das nördliche Tiefland Acidalia Planitia befinden sich zahlreiche Flusstäler. Einige dieser Täler weisen ein sogenanntes dendritisches Muster auf, das in seiner Form an die gleichmäßigen Verzweigungen eines Baumes erinnert. Solche Rinnenmuster entstehen durch Niederschlag, zum Beispiel in Form von Regen oder Schnee. Die Existenz von dendritischen Abflusssystemen auf dem Mars zeigt, dass der Planet früher zumindest zeitweise ein anderes, vermutlich wärmeres und feuchteres Klima hatte.
Im nördlichen Teil der Aufnahmen – am rechten Bildrand der Draufsichten – sind vereinzelte Brüche in der Marskruste zu erkennen, die sich in die angrenzende Region Idaeus Fossae (befindet sich außerhalb dieser Aufnahme) fortsetzen. Aus diesen Brüchen könnte Wasser, das in Hohlräumen im Untergrund gespeichert war, ausgetreten sein. Im Westen der Szene, im oberen Bildabschnitt der Draufsichten, sind einige zehn bis zwanzig Kilometer große und von Sedimenten verfüllte Krater zu erkennen, aus denen die Flusstäler zum Teil direkt entspringen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Kraterbecken einst mit Wasser gefüllt waren und Seen aufstauten. Im mittleren Abschnitt des Bildes fallen einige kleinere und sehr gut erhaltene Krater auf, die vermutlich erst nach dem Ende der Wasseraktivität entstanden und nicht von den Wassermassen angefüllt und abgetragen oder durch dort abgelagerte Sedimente verfüllt wurden.
Bei der Suche nach Leben auf dem Mars sind Gebiete wie das hier gezeigte von großer Bedeutung. Die deutlichen Hinweise auf Kraterseen belegen die Anwesenheit von Oberflächenwasser in der Marsgeschichte. Die Sedimente solcher Seen sind für astrobiologische Untersuchungen besonders interessant, da das Vorhandensein von Wasser über längere Zeiträume eine gute Voraussetzung für die Entwicklung von Mikroorganismen ist.
Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden während Orbit 9534 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Abbildungen zeigen hiervon einen Ausschnitt bei 37 Grad nördlicher Breite und 306 Grad östlicher Länge. Die Farbansichten wurden aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer rot-blau- oder rot-grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweiße Darstellung beruht auf der Aufnahme mit dem Nadirkanal, der von allen Kanälen die höchste Auflösung bietet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR -Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.
Quelle: DLR
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