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Orion mit ESM
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Mit dem fünften Versorgungsflug zur ISS endet das Kapitel des multifunktionalen Raumtransporters ATV. Zugleich beginnt eine neue Ära für die bemannte Raumfahrt Europas: NASA und ESA bauen gemeinsam das modernste Raumschiff der Welt namens Orion. Europa steuert das aus dem ATV weiter entwickelte Service Modul bei.
Europa spielt in der Topliga der ISS mit
Jubel und Wehmut begleiten die sechsmonatige Mission des fünften und zugleich letzten europäischen Raumtransporters ATV 5 „Georges Lemaître“ zur Versorgung der Internationalen Raumstation ISS. Europas Automated Transfer Vehicle (ATV) ist das größte, modernste und weltweit leistungsfähigste Versorgungsschiff. Flug, Annäherung und Kopplung des Transporters an die Raumstation erfolgen völlig autonom. Dank der eigens entwickelten Hard- und Software fliegt das ATV so sicher, als wäre eine Crew an Bord.
Mit dem ATV ist „Europa in die Topliga der ISS aufgestiegen“, so ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain. Allein die Technologie zur vollautomatischen Kopplung eines Raumschiffes war für die europäische Raumfahrt eine Investition in die Zukunft, denn weder die USA noch Russland verfügen über eine derartige Technik.
Diese Erfahrungen gehen jedoch nicht verloren. Im Dezember 2012 vereinbarten ESA und NASA, dass sie ihr Knowhow bündeln und das modernste bemannte Raumschiff bauen wollen. Orion-MPCV (Multi-Purpose Crew Vehicle) soll mit Hilfe des Europäischen Service-Moduls (ESM) fliegen, das auf dem Design des Versorgungsfahrzeugs ATV basiert. Bemerkenswert an diesem Deal ist, dass die NASA erstmals die Lieferung missionskritischer Teile durch nichtamerikanische Partner zulässt.
Neue Qualität der Kooperation ESA – NASA
Am 17. November 2014 hat die ESA das Raumfahrtunternehmen Airbus Defence and Space mit der Entwicklung und dem Bau des Service-Moduls für die Orion-Kapsel zum Festpreis von 390 Millionen Euro beauftragt. Den Vertrag haben Thomas Reiter, ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Betrieb, und Bart Reijnen, Leiter Orbitale Systeme und Weltraumerkundung am Airbus-Standort Bremen, in Berlin unterzeichnet.
„Mit der Lieferung des ESM gleicht die ESA ihren Anteil an den Betriebskosten für die ISS für die Jahre 2018 bis 2020 aus“, erläuterte Reiter. Auf der ESA-Ministerratskonferenz am 2. Dezember 2014 in Luxemburg wurden die hierfür benötigten Mittel bewilligt.
Mit den USA war vereinbart worden, dass die Kosten für die Teilnahme am ISS-Programm über Bartergeschäfte verrechnet werden, also über den Tausch von Leistungen. Europa überweist somit keinen einzigen Euro in die USA, sondern gibt das Geld zu Hause aus. Dieses sichert Arbeitsplätze und stärkt den Technologiesektor.
Orion-Raumschiff mit europäischem Service-Modul
Das an die Apollo-Ära erinnernde NASA-Raumschiff Orion-MPCV besteht aus vier Teilen: der Crew-Kapsel Orion mit darauf befestigten Startabbruchsystem sowie dem Service-Modul ESM das über den sogenannten Crew Module Adapter mit der Kapsel verbunden ist. Es ist im Wesentlichen für Missionen zu Zielen jenseits der nahen Erdumlaufbahn vorgesehen. In der gegenüber Apollo wesentlich größeren Kapsel können bis zu vier Astronauten mitfliegen. Bei einer Mission im erdnahen Orbit kann Orion sogar bis zu sechs Astronauten aufnehmen.
Das unterhalb der Orion-Kapsel liegende Service Modul ist für den Antrieb, die Energieversorgung, die Thermalkontrolle und weitere zentrale Elemente des Lebenserhaltungssystems verantwortlich. Von hier werden Strom, Trinkwasser und Atemluft für die Astronauten im bewohnbaren Modul bereitgestellt. Das ESM ist somit essentiell für das Überleben der Crew verantwortlich. Ohne ESM wäre Orion nicht einsatzfähig.
Der erste unbemannte Testflug von Orion, den die NASA Exploration Flight Test 1 (EFT 1) nennt, fand am 5. Dezember 2014 noch ohne ESM statt. Erst beim zweiten unbemannten Orion-Testflug Ende des Jahrzehnts ist das von Airbus in Bremen gebaute ESM mit dabei. Bei dieser maximal zehntägigen Exploration Mission 1 (EM 1) soll Orion den sogenannten lunar retrograd Orbit anfliegen, einen Punkt in der Nähe des Mondes bei dem sich die Anziehungskräfte von Mond und Erde quasi aufheben. Dabei fliegt es nah am Mond vorbei bevor es später wieder zur Erde zurückkehrt. Kurz vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre trennt sich die Orion-Kapsel vom ESM, um zu wassern. Das ESM verglüht in der Erdatmosphäre.
Erster Mondflug mit einem Europäer?
Da das ESM nur einmal verwendbar ist, benötigt die NASA zur Fortführung des Orion-Programms weitere Module. In Berlin erklärte hierzu der stellvertretende Direktor des Johnson Space Center in Houston, Kirk Shireman, die NASA habe „großes Interesse, die weiteren Service-Module in Europa zu ordern. Das setzt aber voraus, dass der Kongress das Orion-Programm weiterhin unterstützt.“
Sollte die NASA die Option für ein zweites ESM wahrnehmen, dann soll die bemannte Exploration Mission 2 (EM 2) 2021/22 entweder zu einem Asteroiden oder zum Mond führen. „Mein Wunsch wäre“, so Thomas Reiter, dass sich unter der vierköpfigen Orion-Besatzung „ein europäischer Astronaut“ befindet. Vielleicht die Chance für Alexander Gerst, ein weiteres Selfie aus dem Weltraum abzusetzen.
Quelle: ESA
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