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Diese Darstellung einer Gaswolke bei einer nahen Begegnung mit dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie der Milchstraße hat, zeigt die Situation Mitte 2013. Beobachtungen vom Very Large Telescope der ESO haben bestätigt, dass die Wolke mittlerweile so stark auseinandergezogen ist, dass ihr vorderer Teil den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch passiert hat und sich bereits wieder mit mehr als 10 Millionen km/h davon entfernt, während der hintere Teil der Wolke weiterhin auf das Schwarze Loch zu fällt.
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Neue Beobachtungen vom Very Large Telescope der ESO, durchgeführt von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching bei München, zeigen erstmals wie eine Gaswolke vom supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie der Milchstraße zerrissen wird. Die Wolke ist mittlerweile so stark auseinandergezogen, dass ihr vorderer Teil den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch passiert hat und sich bereits wieder mit mehr als 10 Millionen km/h davon entfernt, während der hintere Teil der Wolke weiterhin auf das Schwarze Loch zu fällt.
Im Jahr 2011 entdeckte das Very Large Telescope (VLT) der ESO eine Gaswolke mit einer Masse, die mehreren Erdmassen entspricht, und die in Richtung auf das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße beschleunigt wurde (eso1151) [1]. Zur Zeit befindet sich diese Wolke im Punkt ihrer größten Annäherung, und neue VLT-Beobachtungen zeigen, wie sie im starken Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs deutlich in die Länge gezogen wird.
„Das Gas im vorderen Teil der Wolke ist mittlerweile über mehr als 160 Milliarden Kilometer um den Punkt der größten Annäherung auf der Umlaufbahn der Wolke um das Schwarze Loch verteilt. Der minimale Abstand beträgt nur 25 Milliarden Kilometer – die Wolke schafft es damit gerade eben so, nicht direkt in das Schwarze Loch hineinzufallen", erläutert Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching, der das Beobachterteam leitet [2]. „Die Wolke ist inzwischen so langgestreckt, dass ihre Passage am Schwarzen Loch nicht einfach nur ein kurzes Ereignis ist, sondern ein langwieriger Prozess, der mindestens ein Jahr lang andauern wird."
Durch die Dehnung wird die Wolke schwächer und ist schwieriger zu beobachten. Mit einer Belichtungszeit von mehr als 20 Stunden mit dem SINFONI-Instrument am VLT – der längsten jemals durchgeführten Beobachtung dieser Himmelsregion mit einem Integralfeldspektrometer überhaupt [3] – konnte das Wissenschaftlerteam aber dennoch die Geschwindigkeiten der verschiedenen Teile der Wolke in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Loches messen [4].
„Das aufregende an den neuen Messungen ist, dass wir derzeit den vorderen Teil der Wolke schon wieder auf uns zukommen sehen – und das mit einer Bahngeschwindigkeit von mehr als 10 Millionen km/h, also etwa 1% der Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet, dass dieser Teil der Wolke den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch bereits passiert hat", ergänzt Reinhard Genzel, der die Arbeitsgruppe leitet, die Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße nun seit mittlerweile 20 Jahren untersucht.
Der Ursprung der Gaswolke ist nach wie vor ungeklärt, an möglichen Erklärungsansätzen herrscht allerdings kein Mangel [5]. Die neuen Beobachtungen tragen daher auch dazu bei, die Möglichkeiten einzugrenzen.
„Man kann genau sehen, wie die Wolke regelrecht zu Spaghetti wird. Genauso müßte es einem unglücklichen Astronauten in einem Science Fiction-Film ergehen, der dem Schwarzen Loch zu nahe kommt", schließt Gillessen. „Für die Wolke bedeutet das, dass sie wahrscheinlich keine Sterne enthält. Wir gehen aber derzeit davon aus, dass von den Sternen stammt, die das Schwarze Loch umkreisen"
Die gerade stattfindende Hochphase dieser einzigartigen kosmischen Begegnung im Zentrum unserer Milchstraße wird von Astronomen weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Diese ausgedehnte Beobachtungskampagne wird einen wahren Datenschatz liefern, der nicht nur weitere Details über die Gaswolke selber aufdecken wird [6], sondern auch die unmittelbare Umgebung des schwarzen Lochs näher beleuchten und die Auswirkungen extrem starker Gravitationsfelder untersuchen wird.
Endnoten
[1] Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße hat eine Masse von schätzungsweise vier Millionen Sonnenmassen und hat offiziell die Bezeichnung Sgr A* (ausgesprochen Sagittarius-A-Stern). Es ist das bei weitem nächstgelegene supermassereiche Schwarze Loch und bietet daher die Gelegenheit, solche Objekte detailliert zu untersuchen. Die Studien zum Schwarzen Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie und seiner Umgebung steht auf Platz 1 der Liste der Top Ten der astronomischen Entdeckungen der ESO.
[2] Der Abstand bei der größten Annäherung beträgt etwa das fünffache der Entfernugn des Planeten Neptun zur Sonne. Bei einem Schwarzen Loch mit einer Masse von vier Millionen Sonnenmassen bedeutet das allerdings enorme Auswirkungen.
[3] Bei einem Integralfeldspektrometer wird das Licht für jedes Pixel des Bildes einzeln in seine Farben zerlegt. Es wird also für jedes Pixel ein Spektrum gewonnen, das individuell analysiert werden kann. So lassen sich beispielsweise Karten der Geschwindigkeitsverteilung oder chemischer Eigenschaften für einzelne Bereiche eines Objektes erstellen.
[4] Die Wissenschaftler hoffen außerdem nachweisen zu können, dass und wenn ja wie die sich schnell bewegende Wolke mit dem Gas in der Umgebung des Schwarzen Lochs wechselwirkt. Bislang ist dies nicht gelungen, weitere Beobachtungen für die Suche nach solchen Effekten sind aber vorgesehen.
[5] Man hat unter anderem vorgeschlagen, dass die Gaswolke von den Sternwinden der Sterne gebildet wurde, die das Schwarze Loch umkreisen. Weitere möglicher Verursacher wäre ein Jet aus dem galaktischen Zentrum oder eben ein Stern im Zentrum der Wolke selber. In diesem Fall würde das Gas entweder aus dem Wind des Sterns oder aus einer planetenbildenden Gas- und Staubscheibe um den Stern stammen.
[6] Im weiteren Verlauf der Passage erwarten die Astronomen auch beobachten zu können, wie sich die bei der Entwicklung der Wolke dominierenden Effekte ändern. Zur Zeit sind dies noch Gravitations und Gezeitenkräfte, dies sollte zu komplexen turbulenten hydrodynamischen Vorgängen übergehen.
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Quelle: ESO
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