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Astronomie - Einstein behält Recht Ein rekordverdächtiger Pulsar betritt Neuland bei der Überprüfung der Allgemeine Relativitätstheorie

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Astronomen haben mit dem Very Large Telescope und Radioteleskopen auf der ganzen Welt ein bizarres Sternenpaar entdeckt und näher untersucht. Es besteht aus dem bislang massereichsten Neutronenstern, dessen Entdeckung als bestätigt gilt, und einem ihn umkreisenden Weißen Zwerg. Dieses kuriose neuentdeckte Doppelsternsystem ermöglicht es, die Theorie Einsteins zur Gravitation - die Allgemeine Relativitätstheorie - auf eine Art und Weise zu überprüfen, die bisher nicht möglich war. Die neuen Beobachtungen stimmen genau mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überein und sind nicht konsistent mit einigen alternativen Theorien. Die Ergebnisse werden am 26. April 2013 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat ein exotisches Doppeltsternsystem entdeckt: Es besteht aus einem winzigen, jedoch ungewöhnlich schweren Neutronenstern, der sich 25 mal pro Sekunde um sich selber dreht und alle zweieinhalb Stunden von einem Weißen Zwerg umkreist wird. Der Neutronenstern ist ein Pulsar, der Radiowellen abstrahlt, die dann auf der Erde mit Hilfe von Radioteleskopen empfangen werden können. Obwohl dieses ungewöhnliche Paar an sich schon sehr interessant ist, stellt es zusätzlich ein einzigartiges Testobjekt zur Überprüfung der Grenzen physikalischer Theorien dar.

Der Pulsar trägt den Namen PSR J0348+0432 und ist das Überbleibsel einer Supernovaexplosion. Bei einen Durchmesser von nur 20 Kilometern hat er die doppelte Masse der Sonne, demnach sind in das Volumen eines Zuckerwürfels mehr als eine Milliarde Tonnen Materie gepresst. Die Schwerkraft auf seiner Oberfläche ist mehr als 300 Milliarden mal stärker als auf der Erde. Sein Begleitstern, ein Weißer Zwerg, ist nur geringfügig weniger exotisch. Er ist das Überbleibsel eines deutlich leichteren Sterns, der seine Atmosphäre verloren hat und nun langsam abkühlt.  

Ich habe das Doppelsystem mit dem Very Large Telescope der ESO beobachtet um nach Veränderungen in der Lichtkurve des Weißen Zwergs zu suchen, die durch seine Bewegung um den Pulsar verursacht werden", erklärt John Antoniadis, Doktorand am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und Erstautor des Fachartikels. „Schon bei einer ersten Vor-Ort-Analyse konnte ich erkennen, dass der Pulsar ein ziemliches Schwergewicht ist. Er ist doppelt so schwer wie die Sonne, was ihn zum massereichsten Neutronenstern macht, den wir kennen. Das macht ihn zu einem exzellenten Testobjekt für Grundlagenphysik."

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, die die Gravitation als Folge der Krümmung der Raumzeit durch das Vorhandensein von Masse und Energie erklärt, hat bislang allen Überprüfungen standgehalten, seit sie vor fast einem Jahrhundert veröffentlicht wurde. Dennoch bietet sie keine allumfassende Erklärung für sämtliche Vorgänge im Kosmos und wird letztlich Teil einer umfangreicheren Theorie werden müssen [1].

Physiker haben daher auch andere Theorien der Gravitation ausgearbeitet, deren Vorhersagen von jenen der Allgemeinen Relativitätstheorie abweichen. Für einige dieser Alternativen würden sich die Unterschiede nur in extrem starken Gravitationsfeldern zeigen, wie sie im Sonnensystem nicht zu finden sind. In Bezug auf die Gravitation ist PSR J0348+0432 ein wahrhaft außergewöhnliches Objekt, sogar im Vergleich zu anderen Pulsaren, die bislang in Hochpräzesionsexperimenten zur Überprüfung Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie verwendet wurden [2]. In solch starken Gravitationsfeldern können kleine Änderungen in der Masse zu großen Veränderungen in der Raumzeit um ein solches Objekt führen. Bis jetzt wussten Astronomen nicht, was bei der Anwesenheit eines solch massereichen Neutronensterns wie PSR J0348+0432 passieren würde. Dieses Objekt bietet daher die einzigartige Gelegenheit, die Experimente auf eine neue Ebene zu bringen. 

Das Astronomenteam hat die Beobachtungsdaten, die mit dem Very Large Telescope von dem Weißen Zwerg aufgenommen wurden, mit den präzisen Messungen der Pulsationszeiten des Pulsars von Radioteleskopen kombiniert [3]. Enge Doppelsternsysteme strahlen Gravitationswellen ab und verlieren dadurch Energie. Dies führt dazu, dass sich die Umlaufzeit geringfügig ändert. Die Vorhersagen für die Änderung der Umlaufzeit sind sehr unterschiedlich für die Allgemeine Relativitätstheorie und andere konkurrierende Theorien. 

Unsere Beobachtungen im Radiobereich sind sehr präzise, so dass wir in der Lage waren eine Änderung in der Umlaufzeit von einem Achtmillionstel einer Sekunde pro Jahr zu messen. Und das ist genau das, was Einsteins Theorie vorhersagt", ergänzt Paulo Freire, ein Mitglied des Teams.

Die neuen Messungen stellen aber erst den Beginn einer detaillierten Studie dieses einzigartigen Objektes dar. In Zukunft werden Astronomen dieses Objekt nutzen, um die Allgemeine Relativitätstheorie mit immer höherer Genauigkeit zu überprüfen.

Endnoten

[1] Die Allgemeine Relativitätstheorie ist nicht mit der Quantenmechanik, der anderen großen Theorie der Physik des 20. Jahrhunderts, vereinbar.  Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt zudem unter gewissen Umständen Singularitäten voraus. Dort streben einige Größen gegen unendlich, so wie es bei einem Schwarzen Loch der Fall ist. 

[2] Der erste Pulsar in einem Doppelsternsystem namens PSR B1913+16 wurde von Joseph Hooton Taylor, Jr. und Russell Hulse entdeckt, die dafür im Jahre 1993 den Physik-Nobelpreis erhielten. Sie hatten sorgfältig Änderungen der Eigenschaften dieses bemerkenswerten Objekts vermessen und konnten zeigen, dass diese genau mit den Energieverlusten durch Abstrahlung von Gravitationswellen übereinstimmen, wie sie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt werden.

[3] Diese Arbeit basiert sowohl auf Daten der Radioteleskope Effelsberg, Arecibo und Greene Bank als auch auf Mesungen im sichtbaren Licht mit dem Very Large Telescope der ESO und dem William-Herschel-Teleskop.

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Ergebnisse von John Antoniadis et al. erscheinen am 26. April 2013 unter dem Titel “A Massive Pulsar in a Compact Relativistic Orbit"in der Fachzeitschrift Science.

Die beteiligten Wissenschaftler sind John Antoniadis (Max-Planck-Institut für Radioastronomie [MPIfR], Bonn), Paulo C. C. Freire (MPIfR), Norbert Wex (MPIfR), Thomas M. Tauris (Argelander-Institut für Astronomie, Bonn; MPIfR), Ryan S. Lynch (McGill University, Montreal, Kanada), Marten H. van Kerkwijk (University of Toronto, Kanada), Michael Kramer (MPIfR; Jodrell Bank Centre for Astrophysics, University of Manchester, Großbritanien), Cees Bassa (Jodrell Bank), Vik S. Dhillon (University of Sheffield, Großbritanien), Thomas Driebe (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Bonn), Jason W. T. Hessels (ASTRON, niederländisches Institut für Radioastronomie, Dwingeloo; Universiteit van Amsterdam, Niederlande), Victoria M. Kaspi (McGill University), Vladislav I. Kondratiev (ASTRON; Lebedev Physical Institute, Moskau, Russland), Norbert Langer (Argelander-Institut für Astronomie), Thomas R. Marsh (University of Warwick, Großbritanien), Maura A. McLaughlin (West Virginia University), Timothy T. Pennucci (Department of Astronomy, University of Virginia) Scott M. Ransom (National Radio Astronomy Observatory, Charlottesville, USA), Ingrid H. Stairs (University of British Columbia, Vancouver, Kanada), Joeri van Leeuwen (ASTRON; Universiteit van Amsterdam), Joris P. W. Verbiest (MPIfR), David G. Whelan (Department of Astronomy, University of Virginia).  

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei den neuartigen Teleskopverbund ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Quelle: ESO

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