„Die herausragende Qualität dieses Porträts, das uns Planck von einem noch in seinen Kinderschuhen stehenden All gezeichnet hat, ermöglicht uns, Schicht für Schicht bis zu seinem Ursprung vorzudringen, und macht uns gleichzeitig deutlich, dass unsere bisherige Vorstellung vom Kosmos alles andere als vollkommen ist. Voraussetzung für diese Entdeckungen waren die einzigartigen Technologien, die europäische Unternehmen für diese Mission entwickelt haben“, so ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain.
„Seit 2010, als Plancks erstes den gesamten Himmel erfassendes Bild veröffentlicht wurde, waren wir damit beschäftigt, die Emissionen im Vordergrund, die den Blick auf das erste Licht des Universums bisher verstellt hatten, vorsichtig herausfiltern und zu analysieren, so dass sich die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung uns nun in ihren kleinsten, bisher unerkannten Details offenbart“, erläutert George Efstathiou von der Universität Cambridge.
Zu den wohl überraschendsten Ergebnissen zählt die Tatsache, dass die Fluktuationen bei den Temperaturen der Hintergrundstrahlung auf großen Winkelskalen nicht den im Standardmodell vorhergesagten Werten entsprechen: Ihre Signale sind nicht so stark, wie dies von der von Planck entdeckten kleinmaßstäbigeren Struktur zu erwarten gewesen wäre.
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Ebenfalls verblüffend ist die Asymmetrie der Durchschnittstemperaturen an den entgegengesetzten Hemisphären des Himmels. Dies widerspricht der im Standardmodell postulierten grundsätzlichen Ähnlichkeit des Universums, ganz gleich in welche Richtung man blickt.
Darüber hinaus erstreckt sich ein kalter Fleck über ein Areal am Himmel, das wesentlich größer ist als erwartet.
Bereits Plancks Vorgänger, die NASA-Mission WMAP, gab Hinweise auf die Asymmetrie und den kalten Fleck, jedoch schenkte man ihnen aufgrund der Zweifel an ihrem kosmischen Ursprung kaum Beachtung.
„Die eindeutige Erfassung dieser Anomalien durch Planck lässt keine weiteren Zweifel an ihrer Existenz zu. Sie können nun nicht mehr als Messfehler betrachtet werden. Wir müssen sie als Tatsachen hinnehmen und nun nach einer plausiblen Erklärung suchen“, bekräftigt Paolo Natoli von der italienischen Universität Ferrara.
„Stellen Sie sich vor, Sie untersuchen das Fundament eines Hauses und stellen dabei einige Schwachstellen fest. Auch wenn Sie nicht sagen können, ob diese das Haus irgendwann zum Einsturz bringen, werden Sie zumindest versuchen, möglichst rasch neue Stützen zu errichten“, erklärte bildlich François Bouchet vom Pariser Institut für Astrophysik.
Eine mögliche Erklärung für diese Anomalien wäre die Hypothese, dass das All in Wirklichkeit in einer größeren als der von uns beobachtbaren Skala nicht nach allen Richtungen hin gleich geartet ist. In diesem Szenario hätte das Licht der Hintergrundstrahlung einen wohl etwas komplizierteren Weg durch das Universum als bisher gedacht zurücklegen müssen, was zu einigen der ungewöhnlichen Beobachtungsergebnisse führen würde.
„Unser Fernziel sollte es sein, ein neues Modell zu entwerfen, das die Anomalien nicht nur vorhersagt, sondern auch zueinander in Beziehung setzt. Wir befinden uns jedoch gerade erst am Anfang und können noch nicht sagen, ob dies überhaupt möglich sein wird und welche neuen physikalischen Erklärungsversuche hierzu nötig wären. Es wird auf jeden Fall spannend“, freut sich Professor Efstathiou.
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Ein neuer kosmischer Bauplan
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Von diesen Anomalien abgesehen stehen die Planck-Daten jedoch in erstaunlicher Übereinstimmung mit dem erwarteten, relativ einfachen Modell des Universums und ermöglichen den Wissenschaftlern, die einzelnen Steine seines Bauplans nun auch bis ins kleinste Detail zu beschreiben.
Die normale Materie, aus der Sterne und Galaxien bestehen, macht lediglich 4,9 % der Masse-/Energiedichte des Alls aus. Dunkle Materie, die bisher nur indirekt über den Einfluss ihrer Schwerkraft nachgewiesen werden konnte, ist mit einem Anteil von 26,8 % vertreten, also um fast ein Fünftel mehr als bisher angenommen.
Die dunkle Energie hingegen, eine rätselhafte Kraft, die für die immer schnellere Ausdehnung des Universums verantwortlich gemacht wird, fällt weniger ins Gewicht als in den bisherigen Schätzungen.
Zu guter Letzt lässt sich anhand der Planck-Daten auch ein neuer Wert für die Hubble-Konstante ermitteln, d. h. der Geschwindigkeit, mit der sich das Universum heute ausdehnt, nämlich 67,15 km/s/Megaparsec. Dies liegt deutlich unter dem derzeitigen, in der Astronomie verwendeten Standardwert. Aus diesen Daten lässt sich für das All auf ein Alter von 13,82 Milliarden Jahren zurückschließen.
„Mit diesen bisher präzisesten und ausführlichsten Karten des Himmelszelts im Mikrowellenspektrum schafft Planck ein neues Bild vom Universum und führt uns gleichzeitig an die Grenzen unseres Wissens, was die aktuellen kosmologischen Theorien angeht“, so Jan Tauber, ESA-Projektwissenschaftler für Planck.
„Wir stellen eine erstaunliche Übereinstimmung mit dem kosmologischen Standardmodell fest, wenn auch einige rätselhafte Phänomene uns keine andere Wahl lassen, als gewisse grundsätzliche Annahmen zu überdenken. Wir stehen erst am Anfang eines neuen Unterfangens und sind zuversichtlich, dass unsere kontinuierlichen Studien der Planck-Daten weiteres Licht auf diese Rätsel werfen werden.“
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PLANCK FIRST LIGHT SURVEY
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Quelle: ESA
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Update: 31.03.2013
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Wissenschaftler haben eine nie dagewesene Karte vom ersten Licht des Universums erarbeitet - mit dem Weltraumteleskop Planck der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA. Die Raumsonde hat einige überraschende Daten geliefert und damit gravierende Fragen zum Urknall aufgeworfen.
Jan Tauber von der ESA sagt, die Karte gebe ein Bild des "kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds". Diese Hintergrundstrahlung ist Licht - oder Wärme, und die wurde nur 380.000 Jahre nach dem Urknall emittiert, als Licht und Materie eng gekoppelt waren. Deshalb gibt uns die Licht-Kartierung wichtige Auskunft über die Struktur des jungen Universums. Tauber erklärt die Karte:
"Ein orangefarbener oder blauer Punkt - das sind Punkte in Entwicklung. Sie repräsentieren eine zu der Zeit etwas höhere beziehungsweise etwas geringere Dichte der Materie. Sie werden sich weiter entwickeln und immer dichter oder weniger dicht werden. Sie werden sich zu den Strukturen entwickeln, die wir heute haben. Sie werden sich zu Sternen entwickeln, und diese werden Galaxien bilden, die sich wiederum zu Galaxienhaufen formieren werden."
Tauber sagt, der größte Teil der Karte entspreche durchaus dem geltenden Modell, aber zugleich habe man mit dem Raumteleskop "merkwürdige Dinge" festgestellt, wie etwa "kalte Flecken", also strahlungsarme Stellen, wo sie nach geltender Auffassung nicht vorkommen dürften.
Bruce Partridge, Professor für Astronomie am Haverford College in Boston, hat schon früh zu dem Projekt beigetragen. Ihm war klar, dass Bilder in nie dagewesener Auflösung vonnöten waren, um dem Urknall näherzukommen, und dies sei mit dem Weltraumteleskop Planck gelungen. Dabei mussten verschiedene störende Einflüsse berücksichtigt werden:
"Wir leben in einer Galaxis, die selbst Wärmestrahlung abgibt. Die kann die vom Urknall übriggebliebene Wärme stören oder simulieren. Das muss man kontrollieren."
Das gelte auch für Hintergrundstrahlungsquellen. Alle diese Wirkungen waren auszublenden, um "an das kosmische Signal vom heißen Urknall zu gelangen."
Die Wissenschaftler sähen durch die neuen Daten eine fundamentale Theorie in Frage gestellt, sagt George Efstathiou, Professor für Astrophysik in Cambridge: Nach dieser sogenannten Inflationstheorie gab es bei der Entstehung des Universums eine Phase, in der es sich mit mehr als Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, "sodass ein winziger Fleck unglaublich schnell expandieren konnte." Nun aber sehe man "seltsame Muster", die nicht in diese Theorie passten:
"Es ist also durchaus möglich, dass wir ein unvollständiges Bild haben. Und es könnte sein, dass wir uns geirrt haben, dass es die Inflation garnicht gegeben hat. Es ist gut möglich, dass es eine Phase des Universums vor dem Urknall gegeben hat, und dass man die Geschichte des Universums in eine Vor-Urknall-Zeit zurückverfolgen kann."
In diesen neuen Entdeckungen der Planck-Mission liegt für Efstathiou "das Potential für einen Paradigmenwandel" der Physik. Noch zeichne sich keine Theorie ab, in die man gerade festgestellten Anomalien zwanglos einfügen könne. "Wenn es aber einmal so weit ist, dass eine Theorie erscheint, die diese bislang unverbundenen Phänomene in einen einheitlichen theoretischen Zusammenhang bringt, dann weist sie den Weg in eine neue Physik."
Tauber betont, dass frühere Beobachtungen, etwa Messungen der Expansion des Universums, durchaus nicht in Frage gestellt seien. "Was sich ändert, ist unsere Auffassung vom Beginn des Universums, von den Vorgängen ganz am Anfang, beim sogenannten Urknall."
Auch Partridge bekräftigt die Solidität der Antworten der Wissenschaft auf fundamentale Fragen: "Wie alt ist das Universum? Expandiert es wirklich? Begann es mit einem heißen Urknall? Und die Anworten auf diese Fragen kommen aus diesen Beobachtungen. Ja, am Anfang war ein heißer Urknall. Und wir kennen das Alter: 13,7 Milliarden Jahre, nicht 14 oder 15, sondern 13,7 Milliarden. Diese Antworten beruhen auf Beobachtungen. Die Fragen haben die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt. Und nun, in meinen Lebzeiten, werden sie beantwortet. Es sind scharfe, präzise, physikalische und auf Beobachtung beruhende Antworten."
Und schließlich noch einmal Efstathiou: "Zwar haben wir schöne Versuchsergebnisse, die unseren einfachen Modellen von den Vorgängen beim Urknall entsprechen, aber sie entsprechen ihnen nicht ganz genau. Und so ist es wohl nicht überraschend, dass wir mit unserer Physik, die das erklären soll, noch nicht ganz fertig sind. Das heißt einfach: Es gibt in der Zukunft noch viel zu tun!"
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Quelle: ESA