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Astronomie - Hochmodernes System Adaptiver Optik sieht erstes Licht

6.08.2017

Deutliche Verbesserung in der Schärfe von MUSE-Aufnahmen

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Der planetarische Nebel IC 4406

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Die Kopplung der AOF mit MUSE ermöglicht sowohl eine größere Schärfe als auch einen weiten dynamischen Bereich, in dem Himmelsobjekte wie planetare Nebel beobachtet werden können. Diese neuen Beobachtungen von IC 4406 brachten Schalen zum Vorschein, die noch nie zuvor beobachtet werden konnten, wie auch bereits bekannte dunkle Staubstrukturen im Nebel, die dem Objekt den bekannten Namen Retinanebel gaben.

Diese Aufnahme zeigt einen Bruchteil der gesamten Daten, die mit MUSE und dem AOF-System gesammelt wurden, und demonstriert das verbesserte Leistungsvermögen des neu mit der AOF ausgestatteten MUSE-Instruments.

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Nach mehr als einem Jahrzehnt der Planung, Konstruktion und Erprobung hat die Adaptive Optics Facility (AOF) mit dem Instrument MUSE erstes Licht gesehen und verblüffend scharfe Bilder von planetarischen Nebeln und Galaxien aufgenommen. Das Hauptteleskop 4 (Yepun) am Very Large Telescope (VLT) der ESO ist dadurch nun ein vollständig adaptives Teleskop. Durch die Kopplung der AOF mit MUSE wird es zu einem der fortschrittlichsten und leistungsstärksten Systeme, die je für die bodengebundene Astronomie gebaut wurden.

Die Adaptive Optics Facility (AOF) ist ein Langzeitprojekt am Very Large Telescope (VLT) der ESO, um ein System Adaptiver Optik für die Instrumente am Hauptteleskop 4 ( engl. Unit Telescope 4, kurz UT4) zur Verfügung zu stellen, zu denen auch MUSE (Multi Unit Spectroscopic Explorer) gehört [1]. Da durch den Einfluss der Erdatmosphäre Bilder verschwimmen, soll Adaptive Optik diese störenden Effekte kompensieren, so dass MUSE viel schärfere Aufnahmen machen kann. Da der Kontrast doppelt so hoch wie ohne diese Technik ist, kann MUSE nun noch lichtschwächere Objekte im Universum beobachten

Selbst wenn die Wetterbedingungen nicht perfekt sind, können Astronomen nun dank der AOF eine hervorragende Bildqualität erreichen“, erklärt Harald Kuntschner, AOF-Projektwissenschaftler bei der ESO.

Nachdem das neue System auf Herz und Nieren geprüft wurde, wurde das Team aus Astronomen und Ingenieuren mit einer Reihe eindrucksvoller Bilder belohnt. Den Forschern gelang beispielsweise die Beobachtung der planetarischen Nebel IC 4406 im Sternbild Wolf (lat. Lupus), sowie NGC 6369 im Sternbild Schlangenträger (gr. Ophiuchus). Die MUSE-Beobachtungen mit der AOF brachten tiefgreifende Verbesserungen in der Schärfe der Aufnahmen und enthüllten nie zuvor beobachtete Schalenstrukturen in IC 4406 [2].

Die AOF, die diese Beobachtungen ermöglicht hat, setzt sich aus vielen Teilen zusammen. Dazu gehören die Four Laser Guide Star Facility (4LGSF) und der sehr dünne verformbare Sekundärspiegel des UT4 [3] [4]. Die 4LGSF leuchtet mit vier 22-Watt-Laserstrahlen in den Himmel, um in der oberen Atmosphäre Natriumatome zum Leuchten zu bringen, wodurch am Himmel Lichtpunkte entstehen, die Sterne imitieren sollen. Sensoren im Adaptive-Optik-Modul GALACSI (Ground Atmospheric Layer Adaptive Corrector for Spectroscopic Imaging) verwenden diese künstlichen Laserleitsterne, um die atmosphärischen Bedingungen zu bestimmen.

Tausendmal pro Sekunde berechnet das AOF-System die notwendige Korrektur, um die Form des Sekundärspiegels des Teleskops anzupassen und so die atmosphärischen Störungen auszugleichen. Vor allem bis zu einer Höhe von einem Kilometer über dem Teleskop gleicht GALACSI die Turbulenz in der Atmosphärenschicht aus. Abhängig von den Bedingungen kann die atmosphärische Turbulenz mit der Höhe variieren, aber Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten atmosphärischen Störungen in dieser „Grundschicht“ der Atmosphäre auftreten.

Das AOF-System bewirkt im Prinzip einen ähnlichen Effekt, wie wenn wir das VLT um etwa 900 Meter anheben würden, über die turbulentesten Schichten in der Atmosphäre“, erklärt Robin Asenault, AOF-Projektleiter. „Wenn wir in der Vergangenheit schärfere Aufnahmen gewollt hätten, hätten wir einen besseren Ort finden oder ein Weltraumteleskop benutzen müssen – mit der AOF können wir jetzt einfach dort wo wir sind die Bedingungen deutlich verbessern, und das zu einem Bruchteil der Kosten.

Die von der AOF angewandten Korrekturen verbessern die Bildqualität umgehend und kontinuierlich, indem sie das Licht konzentrieren, um schärfere Bilder zu erzeugen, so dass MUSE feinere Details auflösen und lichtschwächere Sterne erkennen kann als bisher möglich. GALACSI bietet derzeit eine Korrektur über ein weites Sichtfeld, aber das ist nur einer von vielen Schritten, um MUSE mit Adaptiver Optik auszurüsten. Ein zweiter Modus von GALACSI ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich Anfang 2018 das erste Licht sehen. Dieser Schmalfeldmodus korrigiert die Turbulenz in jeder Höhe, so dass Beobachtungen kleinerer Gesichtsfelder mit noch höherer Auflösung durchgeführt werden können.

Vor sechzehn Jahren, als wir den Bau des revolutionären MUSE-Instruments planten, war unsere Vision, es mit einem anderen sehr fortschrittlichen System zu koppeln, der AOF“, erzählt Roland Bacon, Projektleiter für MUSE. „Das bereits große Entdeckungspotential von MUSE wird nun weiter verbessert. Unser Traum wird Wirklichkeit.

Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele des Systems ist es, lichtschwache Objekte im fernen Universum mit der bestmöglichen Bildqualität zu beobachten, was Belichtungen von mehreren Stunden erfordern wird. Joël Vernet, MUSE- und GALACSI-Projektwissenschaftler, erläutert hierzu: „Insbesondere sind wir daran interessiert, die kleinsten, lichtschwächsten Galaxien in den größten Entfernungen zu beobachten. Diese Galaxien entstehen gerade erst – stecken also quasi noch in den Kinderschuhen – und sind der Schlüssel zum Verständnis, wie sich Galaxien bilden.

Darüber hinaus ist MUSE nicht das einzige Instrument, das von der AOF profitieren wird. In naher Zukunft wird ein weiteres System Adaptiver Optik namens GRAAL mit dem bestehenden Infrarot-Instrument HAWK-I in Betrieb gehen und dessen Blick auf das Universum noch schärfer machen. Es soll später von dem leistungsstarken neuen Instrument ERIS abgelöst werden.

Die ESO treibt die Entwicklung dieser Systeme Adaptiver Optiken voran, außerdem ist die AOF auch ein Wegbereiter für das Extremely Large Telescope der ESO“, fügt Arsenault hinzu. „Durch die Arbeit an der AOF haben wir – Wissenschaftler, Ingenieure und ebenso die Industrie – Erfahrungen und Fachkenntnisse von unschätzbarem Wert gewonnen, die wir nun dafür verwenden werden, die Herausforderungen beim Bau des ELT zu meistern.“

Endnoten

[1] MUSE ist ein Integralfeld-Spektrograf, ein leistungsfähiges Instrument, das einen 3D-Datensatz eines Zielobjekts erzeugt, wobei jeder Bildpixel einem Spektrum des Lichts des Objekts entspricht. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass das Instrument Tausende Bilder des Objekts zur gleichen Zeit erzeugt, jeweils bei einer anderen Wellenlänge des Lichts, sodass es eine Fülle von Informationen erfassen kann.

[2] IC 4406 wurde vor vielen Jahren schonmal mit dem VLT (eso9827a) beobachtet.

[3] Mit knapp über einem Meter Durchmesser ist dies der größte Adaptive-Optik-Spiegel, der jemals produziert wurde und hochmoderne Technologie erfordert hat. Er wurde im Jahr 2016 am UT4 (ann16078) montiert, um den ursprünglichen konventionellen Sekundärspiegel des Teleskops zu ersetzen.

[4] Weitere Werkzeuge zur Optimierung des AOF-Prozesses wurden entwickelt und sind nun betriebsbereit. Dazu gehören eine Erweiterung der Astronomical Site Monitor Software, die die Atmosphäre überwacht, um die Höhe zu bestimmen, in der die Turbulenz auftritt, und das Laser Traffic Control System (LTCS), das verhindern soll, dass andere Teleskope in die Laserstrahlen oder auf die künstlichen Sterne selbst blicken und möglicherweise ihre Beobachtungen gestört werden.

Quelle: ESO

 

 

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