Blogarchiv
Astronomie - Sunrise II: Ein zweiter Blick auf die Sonne

26.03.2017

Wabernde Fibrillen, aufblitzende Hitzenester und die Entstehungsorte koronaler Bögen: 13 Artikel, die heute erscheinen, bieten einen Überblick über die Ergebnisse des Zweitfluges des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise. 

Einen einzigartigen Blick auf unser Zentralgestirn hatte das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise bei seinen beiden Flügen 2009 und 2013: Aus einer Höhe von mehr als 35 Kilometern und mit dem größten Sonnenteleskop ausgerüstet, das jemals den Erdboden verlassen hatte, konnte Sunrise erstmals Strukturen mit einer Größe von 50 Kilometern im ultravioletten Licht der Sonne auflösen. Das Fachjournal Astrophysical Journal Supplement Series widmet den Ergebnissen des Zweitfluges von Sunrise nun insgesamt 13 Artikel. Ergänzt werden diese um vier Arbeiten, die auf jetzt ausgewerteten Daten des Erstfluges basieren. Auf diese Weise zeichnet die Sonderausgabe das bisher umfassendste und detaillierteste Bild der Grenzschicht zwischen der sichtbaren Oberfläche der Sonne und ihrer Atmosphäre im ultravioletten Licht. Die Publikation berichtet unter anderem von heißen Explosionen, wabernden fibrillenartigen Strukturen und den Entstehungsorten gewaltiger Plasmaflüsse. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS), das das Projekt Sunrise leitet, ist an allen 17 Veröffentlichungen maßgeblich beteiligt. 

Das Sonnenobservatorium Sunrise wird von einem Heliumballon auf eine Flughöhe von mehr als 35 Kilometern getragen.
Das Sonnenobservatorium Sunrise wird von einem Heliumballon auf eine Flughöhe von mehr als 35 Kilometern getragen.

Viele Geheimnisse der Sonne offenbaren sich nur im ultravioletten (UV-) Licht, das unser Stern ins All abstrahlt. Da die Erdatmosphäre jedoch ein Großteil dieser Strahlung herausfiltert, ist für Sonnenforscher eine Beobachtungsposition oberhalb dieser Luftschicht ideal. Das ballongetragene Sonnenobservatorium bietet Zugang zu dieser Position – ohne die immensen Kosten einer Weltraummission. Getragen von einem riesigen Heliumballon erreicht Sunrise eine Höhe von mehr als 35 Kilometern und lässt so den Großteil der Erdatmosphäre unter sich.

Zweimal bereits ist dieses Konzept aufgegangen. Während Sunrise beim Erstflug 2009 Zeuge eines unerwartet langen Aktivitätsminimums der Sonne wurde, zeigte sich unser Stern 2013 von seiner temperamentvolleren Seite: Fast sechs Tage lang hatte Sunrise gute Sicht auf Sonnenflecken und aktive Regionen. Erste Ergebnisse dieses Fluges konnten Forscher des MPS bereits wenige Monate später veröffentlichen. Deutlicher als je zuvor zeigen sich in den UV-Daten feine, nur wenige Kilometer große Strukturen in der unteren Atmosphäre der Sonne wie etwa helle, kurz aufblitzende Punkte und langgezogene Fibrillen in der Nähe der Sonnenflecken.

Die sichtbare Oberfläche der Sonne (linke Bildhälfte) zeigt ein Muster aus so genannten Granulen. Sie sind Anzeichen der heißen Plasmaströme aus dem Inneren der Sonne, die aufsteigen, abkühlen und wieder hinabsinken. Im ultravioletten Licht dieser Region zeigen sich hingegen langgezogene Fibrillen (rechte Bildhälfte). <br /><br />
Die sichtbare Oberfläche der Sonne (linke Bildhälfte) zeigt ein Muster aus so genannten Granulen. Sie sind Anzeichen der heißen Plasmaströme aus dem Inneren der Sonne, die aufsteigen, abkühlen und wieder hinabsinken. Im ultravioletten Licht dieser Region zeigen sich hingegen langgezogene Fibrillen (rechte Bildhälfte).

Ein Großteil der Sunrise II-Daten liegt seit etwa einem Jahr vollständig aufbereitet vor und ist Grundlage von 13 der heute veröffentlichten Artikel. Darin gehen die Forscher auch den langgezogenen Fibrillen genauer nach, bestimmen ihre Form und Lebensdauer. Dabei zeigt sich unter anderem, dass ihre Strahlungsintensität und Breite auf Zeitskalen von einigen Sekunden schwanken. Möglich wurden solch detaillierte Untersuchungen durch die hohe Auflösung von Sunrise und die langen Beobachtungsreihen.

„Mit einer räumlichen Auflösung von 50 bis 100 Kilometern liefert Sunrise präzisere Messergebnisse im ultravioletten Licht als alle anderen ballongetragenen oder weltraumbasierten Sonnenteleskope“, so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und Missionsleiter. Mit den beiden Instrumenten SuFI (Sunrise Filter Imager) und IMaX (Imaging Magentograph Experiment) blickt Sunrise zudem in eine Schlüsselregion der Sonnenforschung. In dem Bereich zwischen der sichtbaren Oberfläche der Sonne, der Photosphäre, und der Korona, der äußeren Atmosphäre der Sonne, erhoffen sich Forscher Antworten auf einige der bedeutendsten, offenen Fragen der Sonnenphysik: Wie ist es möglich, dass die Korona mit etwa eine Million Grad deutlich heißer ist als die weiter innen liegende Photosphäre mit nur 5000 Grad? Auf welchem Wege wird die nötige Energie aus der Photosphäre in die Korona transportiert und in Wärme umgewandelt? Welche Rolle spielen dabei die dynamischen, hoch komplexen Magnetfelder der Sonne? „Alles spricht dafür, dass kleinskalige und kurzlebige Prozesse entscheidend sind“, so Sunrise-Projektwissenschaftler Dr. Tino Riethmüller vom MPS.

Diese aufzuspüren ist die Mission von Sunrise. Am ersten Tag des Zweitfluges etwa wurde das Observatorium Zeuge einer so genannten Ellermann-Bombe, eines explosionsartigen, aber lokalisierten Anstiegs der Strahlungsintensität und Temperatur. Die Hitzenester treten in der Regel in entstehenden aktiven Regionen auf und gelten als Anzeichen dramatischer „Umbauarbeiten“ im Magnetfeld der Sonne. Dabei wird magnetische Energie unter anderem in Wärme umgewandelt. Die Simulationen, mit denen die Forscher die Beobachtungsdaten rekonstruierten, legen nahe, dass die Veränderungen der Magnetfeldarchitektur ihren Ursprung in der Photosphäre etwa 200 Kilometer über der sichtbaren Oberfläche der Sonne haben.

Ein Blick auf die Entstehungsorte koronaler Bögen. Aufnahmen der NASA-Sonde Solar Dynamics Observatory (rechts) vom 12. Juni 2013 zeigen ausgeprägte Plasmaflüsse in der Korona der Sonne. Sunrise II-Daten dokumentieren die Magnetfelder, die zum selben Zeitpunkt und an derselben Stelle auf der Sonne herrschten (links). Als Ausgangspunkte der koronalen Bögen (hier angedeutet durch Kreise) entpuppen sich kleine Bereiche, in denen die magnetische Polarität der ihrer überwiegenden Umgebung entgegengesetzt ist. <br /><br />
Ein Blick auf die Entstehungsorte koronaler Bögen. Aufnahmen der NASA-Sonde Solar Dynamics Observatory (rechts) vom 12. Juni 2013 zeigen ausgeprägte Plasmaflüsse in der Korona der Sonne. Sunrise II-Daten dokumentieren die Magnetfelder, die zum selben Zeitpunkt und an derselben Stelle auf der Sonne herrschten (links). Als Ausgangspunkte der koronalen Bögen (hier angedeutet durch Kreise) entpuppen sich kleine Bereiche, in denen die magnetische Polarität der ihrer überwiegenden Umgebung entgegengesetzt ist.

Ein weiterer Prozess, der die vergleichsweise kühle Photosphäre mit der heißen Korona verbindet, sind koronale Bögen, beeindruckende bogenförmige Plasmaflüsse in der Sonnenatmosphäre. Manche von ihnen messen bis zu 100.000 Kilometer. Die Ausgangspunkte dieser Strukturen liegen ebenfalls oftmals in der Nähe aktiver Regionen. Die Sunrise-Daten erlauben nun einen genauen Blick auf diese Entstehungsorte. Es zeigt sich, dass sie Orte starker magnetischer Gegensätze sind: kleine Bereiche, in denen die magnetische Polarität der ihrer überwiegenden Umgebung entgegengesetzt ist. Die Wechselwirkung dieser Bereiche treibt den Masse- und Energietransport in die Atmosphäre an.

„Die Daten der beiden Sunrise-Flüge erweisen sich als wahre Fundgrube für die Sonnenphysik“, so Solanki. Die Auswertungen werden noch Jahre andauern. Zudem plant das MPS derzeit einen dritten Flug des ballongetragenen Observatoriums. Dieser soll in einigen Jahren stattfinden. 

Quelle:MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT, MÜNCHEN

2680 Views
Raumfahrt+Astronomie-Blog von CENAP 0